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Schauspieler Ofczarek: “Ich halte immer zu meinen Figuren”

In der Amazon-Produktion “Drunter und Drüber” spielt Nicholas Ofczarek den Vize-Chef eines Wiener Friedhofs. Ein Gespräch über Chaos am Arbeitsplatz, Wiener Morbidität und eine mögliche “Tatort”-Karriere.

Vom 9. Mai geht es bei Prime Video “Drunter und Drüber”. Die Hauptrollen in der achtteiligen Serie haben Julia Jentsch und Nicholas Ofczarek übernommen, die schon in den drei Staffeln der Erfolgsserie “Der Pass” zusammen gespielt haben.

Ofczarek spielt jetzt keinen heruntergekommenen Kommissar, sondern Heli Wondratschek, den stellvertretenden Leiter des Wiener Friedhofs Donnersbach. Der hofft nach dem Tod des Chefs auf dessen Nachfolge, wird aber bitter enttäuscht, denn den Posten bekommt Ursula Fink (Julia Jentsch).

Aber Wondratschek hofft auf eine zweite Chance, denn Fink hat vom Friedhofswesen keine Ahnung – und deswegen bricht das Chaos in Donnersbach aus. Im Interview mit dem KNA-Mediendienst spricht Ofczarek über die Arbeit an der Serie und seine Gleichgültigkeit gegenüber der eigenen Beerdigung.

Frage: Herr Ofczarek, Prime Video kündigt “Drunter und Drüber” als “Work-Place-Comedy” an. Was hat sich das Publikum darunter vorzustellen?

Antwort: Das weiß ich nicht, das ist die Sprache der Verantwortlichen.

Frage: Sie spielen jedenfalls Heli Wondratschek, den stellvertretenden Leiter des Friedhofs Donnersbach, der sehr damit rechnet, nach dem Tod des Chefs das Kommando über Friedhof und Personal übernehmen zu können. Es kommt anders, es wird chaotisch.

Antwort: Richtig. Aber als wir die Serie entwickelt und konzipiert haben, hatten wir eher an eine Komödie als an eine Comedy mit Slapstick gedacht. Dieser Arbeitsplatz auf dem Friedhof ist wie jeder andere ein Ort der Konflikte. Und der Konflikt ist ein wunderbarer Treibstoff. Weil überall, wo Reibung entsteht, Drama oder eben Komödie entsteht. Bei der Komödie lacht man ja eher über das Scheitern und über den Übergriff und über die Verzweiflung. Und das finden wir dann komisch, weil es uns erleichtert.

Bei “Drunter und Drüber” gibt es eine zusätzliche dramaturgische Verschärfung, denn hier handelt es sich um einen Arbeitsplatz, der ja eigentlich für Gedenken, Ruhe, Stille und Frieden steht, wo so etwas wie ein Konflikt gar nicht gefragt wäre.

Frage: Die einzelnen Folgen der achtteiligen Serie dauern nur 25 Minuten. Ungewöhnlich.

Antwort: Ich glaube, Zuschauer haben infolge der Übersättigung, ja Überforderung mit Medien eine immer geringere Aufmerksamkeitsspanne. Es wird weniger gelesen, es wird weniger gut formuliert, der Sprachschatz wird kleiner. Das mit der verminderten Aufmerksamkeit gilt auch für mich. Ich schaue gerne Kurzvideos an. Entscheidend ist die Länge nicht. Man kann in 25 Minuten daneben liegen, man kann aber auch in 25 Minuten sehr treffend erzählen.

Frage: War die Produktion ebenso schnell?

Antwort: Es war ene Produktion unter harten Bedingungen, manchmal haben wir acht Minuten pro Tag geschafft. Man versucht ja trotzdem, größtmögliche Qualität zu erreichen, eine gewisse Auflösung, eine gewisse Reichhaltigkeit an Perspektiven. Kennen Sie die fantastische Serie “Adolescence” bei Netflix? Vier Folgen, jeweils eine Stunde mit jeweils nur einer Kameraeinstellung. Sieht sich kostengünstig an, stimmt aber nicht. Natürlich haben die geprobt, es in einer Einstellung zu machen, haben dafür drei Wochen lang geprobt und dann eine Woche lang geschossen. Jede Figur ist gut, weil erprobt auch erlebt heißt, und nicht nur grad schnell hingestellt ist. Die Serie zieht dich rein, macht dich zum Voyeur und nicht nur zum Betrachter.

Frage: Was auch bei “Drunter und Drüber” passieren soll.

Antwort: Heli Wondratschek ist ja, wie Sie sagen, so ein gesetzter Pedantischer, der seinen Beruf zu seinem Leben gemacht hat und umgekehrt. Er glaubt an Struktur. Struktur schafft Sicherheit, dagegen ist ja nichts zu sagen, es kommt halt nicht an. Mit der neuen Friedhofsleiterin kommt ein Mensch dazu, der überhaupt keinen Sinn für Struktur hat. Das ist ja ein ewiger Konflikt: Wie schafft man Freiheit, wie schafft man Selbstverantwortung, was ist Verantwortung, was sind Hierarchien, will man Hierarchien abschaffen? Ich glaube an Hierarchien, wenn man Hierarchie auch als Verantwortung versteht für einen Bereich, und nicht als Machtinstrument, sondern als Instrument, damit Dinge besser funktionieren.

Frage: Heli, der Held?

Antwort: Ich halte immer zu meinen Figuren, meine Figuren sind immer im Recht.

Frage: Gehen Sie auch selbst gern zu Begräbnissen?

Antwort: Na, das ist mir sehr unangenehm. Ich ertrage schwer den Schmerz anderer.

Frage: Dem Wiener wird nachgesagt, er habe ein besonderes Verhältnis zum Morbiden.

Antwort: Bei mir stimmt es nicht, ich weiß auch nicht, ob es überhaupt stimmt, aber es verkauft sich wirklich gut. Man denkt immer, wenn man nach Wien kommt, man müsse gleich auf den Zentralfriedhof gehen.

Frage: Es war zu lesen, Nicholas Ofczarek hätte sich ein wenig vom Theater entfernt.

Antwort: Ja, aber ich nähere mich jetzt wieder an, ich mache nächste Saison wieder ein bisschen mehr. Das Theater hat sich sehr verändert. Ich habe ja noch das Glück gehabt, mit großen Regisseuren zu arbeiten, wo es um Handwerk ging, wo es darum ging, vom Inhalt auszugehen und dann eine Form zu entwickeln. Jetzt wird die Form über einen Inhalt drüber gepfropft und die Ideologie, welche auch immer das sein mag, ist dann wichtiger. Dem Zuschauer wird die Entscheidungsfreiheit genommen, wie er was zu sehen und zu beurteilen hat. Es läuft auf Bevormundung hinaus. Das geht mir wahnsinnig auf den Keks.

Frage: Bleibt die brennende Schlussfrage: Wollen Julia Jentsch und Sie die Nachfolge von Adele Neuhauser und Harald Krassnitzer im Wiener “Tatort” antreten?

Antwort: Mein Name ist schon in diversen Spekulationen aufgetaucht. Aber bei mir hat sich noch niemand gemeldet. Entscheidend ist: Wer ist verantwortlich, was will man inhaltlich erzählen, komme ich als “Tatort”-Kommissar noch für andere Projekte in Frage? Ich möchte weiter in unterschiedlichen Kunstformen, in unterschiedlichen Genres arbeiten können. So eine “Tatort”-Figur kann übermächtig werden.