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Scharfe Kritik an der Darstellung Ostdeutschlands in den Medien

Bei den Medientagen Mitteldeutschland in Leipzig ging es um das Bild des Ostens in den Medien. Sind es 35 Jahre Diffamierung durch “den Westen”? Oder sind wir schon ein bisschen weiter?

Der Osten wird von den überregionalen, zumeist westlichen Medien in beinahe fataler Weise schief dargestellt. Das ist – verkürzt ausgedrückt – das Fazit von Dirk Oschmanns Buch “Der Osten: eine westdeutsche Erfindung”. Bei den Mitteldeutschen Medientagen in Leipzig durfte der Germanist am Mittwoch beim Panel “Im Osten nichts Neues? Ostdeutschland in den Medien” den Auftakt machen. Er sprach unter dem Titel “Spaltung, Abspaltung, Externalisierung, Auslöschung” über den bösen Westen. Oschmanns Richtigstellung, er habe ein Buch über den Westen geschrieben und wie dieser über den Osten denkt, steigerte bei vielen “Wessis” im Saal noch das Unbehagen.

Nun gehört es zu Oschmanns Konzept, zu polarisieren und so auf die aus seiner Sicht anhaltende und kollektive Demütigung der Menschen in Ostdeutschland hinzuweisen. Beim anschließenden Panel ging es dann anfangs gar nicht mehr um Oschmanns Vortrag, auch weil die Moderation mit einer aktuellen Ortsbestimmung ein ganz anderes Fass aufmachte.

Für MDR-Chefredakteurin Christin Bohmann beginnt “eine vielfältige und ausgewogene Meinungsbildung bereits in der Redaktion, die divers aufgebaut sein muss”. Wichtig sei dabei, “zu erklären, ohne zu moralisieren” – um immer wieder die Themen neu zu beleuchten.

Prominentester Kopf in der Runde war Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU), der seit jeher seine ganz eigene Sicht auf die Medien und ihre Berichterstattung über die Landesteile östlich der Elbe hat. In Leipzig war Haseloff, der weiter gern von ARD und ZDF als “Westfernsehen” spricht, auf Krawall gebürstet. Oschmanns These würde sogar noch untertreiben, meinte Haseloff. “Es belegt dies, dass keines der Medien vor Ort im Osten ist”, aber zum Glück habe man ja den MDR. Dies sei aber nur ein kleiner Teil des medialen Angebots – und bei den anderen sei es weiterhin “ein Kampf, dort etwas unterzubringen”.

Die Themen aus dem Osten müssten zudem eingeordnet werden “und sind insgesamt unterbelichtet”, so Haseloff weiter. Dieses Missverhältnis habe dann auch Konsequenzen für die Akzeptanz der Medien im Osten. Die liege mittlerweile nur noch bei rund 50 Prozent, hier müsse sich “strukturell etwas ändern”.

Über lange Zeit waren die Privatsender in Ostdeutschland beliebter als ARD und ZDF. Der Leiter des Hauptstadtbüros von ProSieben und Sat.1, Heiko Paluschka, betonte denn auch, dass es wichtig sei, die “Stimme des Osten” direkt einzuholen. Da seine Sendergruppe aber nicht mal feste Regional-Büros vor Ort habe, werde viel mit freien Produktionsfirmen zusammengearbeitet, die für Rahmengeschichten vor Ort recherchierten. “Ich möchte auch mehr positive Geschichten über den Osten erzählen, wenn das die Nachrichtenlage hergibt”, sagte Paluschka. Es gehe um das “Was”, die Geschichten, deren Einordnung und klare Worte – “nicht so sehr darum, wo sie spielen”.

Oschmann selbst saß auch auf dem Podium und forderte Ausgewogenheit und eine bewusste “Entscheidung, dass man fair und respektvoll vorurteilslos berichten will”. Viele Beispiele zeigten, dass dies nicht in den Medien erfolge, da die meisten von ihnen eben gleichbedeutend für den Westen und seine Themen stünden. Der Osten sei aber nicht nur auf “problembehaftete Themen” zu reduzieren. “35 Jahre Diffamierung und ignorieren des Ostens ist zu lang, man muss dies nicht auszuhalten”, sagte Oschmann.

Viele von Oschmanns kritischen Beispielen über Berichterstattung Ost durch die Brille West stammen übrigens aus dem “Spiegel”. Aber, konstatierte Maria Fiedler, stellvertretende Leiterin des “Spiegel”-Hauptstadtbüros, seit 1990 sehe sie aufs eigene Blatt bezogen “eine gute Weiterentwicklung”. Auch wenn die Berichterstattung allgemein und über alle Medien hinweg immer noch zu stark auf den abgehängten Osten fokussiert sei. Für Fiedler könnten hier die Sozialen Medien eine Chance bieten, mehr Aufklärung und Richtigstellung zu platzieren und Missverständliches aufzubereiten.