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Rückhalt und Sicherheit

Berlin bedankt sich bei allen Ehrenamtlichen mit einem ökumenischen Gottesdienst für ihren Einsatz

Von Wibke Wonneberger

Berlin bedankt sich am 22. August in einem ökumenischen Gottesdienst bei allen ehrenamtlich Engagierten für ihren Einsatz – besonders während der Corona-Pandemie. So überraschend und schnell im letzten Jahr aufgrund der Kontaktbeschränkung Schulen, Kitas, soziale Anlaufstellen und andere kommunale Infrastruktur geschlossen oder eingeschränkt wurden – so schnell fanden sich Menschen, die der „sozialen Distanzierung“ entgegenwirken wollten, um Menschen nicht in ihrer Not allein zu lassen. Es entstanden neue, kreative Formen von Engagement, selbstorganisiert oder auch institutionell begleitet. Es zeigte sich, wie funktional und belastbar zuvor etablierte zivilgesellschaftliche Strukturen waren. 

Auch das Familienangebot „Känguru – hilft und begleitet“, für das ich arbeite, war von Kontaktbeschränkungen unmittelbar betroffen. Dies löste große Unsicherheit aus: Wie können wir die Familien in schwierigen Lebenslagen weiterhin unterstützen und gleichzeitig für die ehrenamtlichen Pat*innen Rückhalt und Sicherheit bieten? In den folgenden Monaten führten wir intensive Gespräche mit unseren Ehrenamtlichen und fanden gemeinsam Wege, wie Hilfe in den Familien unter gegebenen Umständen konkret aussehen kann. 

Sehr berührend war die klare Aussage unserer Ehrenamtlichen: „Natürlich sind wir weiter für die Familien da – wir bleiben im Kontakt!“ Spaziergänge mit Abstand wurden zum Mittel der Wahl. Wahrscheinlich war eine Zeitlang eine ganze Stadt spazierend im Gespräch. Ich bin froh, rückblickend sagen zu können: Die meisten Patenschaften bestehen bis heute und statt eines Rückzugs vom Ehrenamt stieg die Zahl derer, die sich engagieren wollten. 

Einer der schönsten Momente meiner Arbeit ist das Kennenlerngespräch zwischen Familie und Pat*in. In diesem Gespräch fragen die Eltern oft die Ehrenamtlichen: „Warum machen Sie das?“ Die Antworten sind sehr persönlich, oft biografisch begründet und gehen weit über das „Es macht mir Spaß“ hinaus. Ein Ehrenamt wählt niemand zufällig und in der Regel ist der Entscheidung eine längere Überlegung vorausgegangen. Im Ehrenamt erlebt man sich selbst als tätig, in der Begegnung mit Menschen sind neue Perspektiven möglich, es bietet einen Lernraum und persönliches Wachstum. Solidarität und Empathie werden eingeübt, denn ein Ehrenamt hat man nicht für sich allein: Es schlägt eine ­Brücke zwischen individueller Verortung und gesellschaftlicher Mitgestaltung. 

Ohne das vielfältige Engagement der Ehrenamtlichen in Kiez-Initiativen, Vereinen und Verbandsstrukturen möchte ich mir die zurückliegenden Monate nicht vorstellen! Ich bin dankbar für die kreativen und pragmatischen Hilfsangebote der vielen auch neu Engagierten, die zugehört, angepackt und Not gemildert haben.  

Danke sagen ist wichtig. Zum Dank gehört aber auch, für den ­nötigen Rahmen und die erforder­lichen Strukturen zu sorgen. Ehrenamt ist unbezahlt, aber nicht umsonst zu haben. Es braucht verlässliche Ansprechpersonen, Begleitung und Absicherung, Ausbildung, Weiterbildung und Supervision für Engagierte und nachhaltige Organisationsformen, um Qualität und Entwicklung zu garantieren. Aber auch bei Digitalisierung, Partizipationsmöglichkeiten und nachhaltigen Fördermöglichkeiten besteht noch Handlungsbedarf. Dies ist auch unter dem Gesichtspunkt notwendig, dass das freiwillig und ehrenamtlich Tätigsein nicht allen gesellschaft­lichen Gruppen gleichermaßen möglich ist. Denn um sich engagieren zu können, braucht es Ressourcen und Zugänge. Und den politischen Willen, diese zu schaffen.

Wibke Wonneberger koordiniert das Projekt „Känguru – hilft und begleitet“ für ­Familien rund im die Geburt ihres Kindes – ein Angebot des DWBO.