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Rettet Luther!

Eine Woche lang dreht sich bei der Jugendarbeit im Kirchenkreis Schwelm alles um die Reformation. Dabei wird Gemeinschaft großgeschrieben: gemeinsames Wohnen im Gemeindehaus und Aktionen, die den Teamgeist fördern. Wie der „Escape-Room“

Eine Stunde. Mehr Zeit haben die Jungs nicht, um Martin Luther zu finden. Sie nennen sich „Fatboyz“ und sollen den Reformator entführen – retten. Die sieben Jugendlichen, die zum CVJM Gevelsberg gehören, nehmen die Herausforderung an. Sie betreten den so genannten Escape-Room (auf deutsch: Flucht-Raum), um sich der Aufgabe zu stellen. Mitarbeiterin Sabine Fasching hat ihnen zuvor erklärt, worauf sie achten müssen. Sie hängt die Stoppuhr an die Wand.
Die Zeit läuft.
Der Luther-Escape-Room ist eines von mehreren Angeboten im Rahmen der Reformationswoche der evangelischen Jugendarbeit im Kirchenkreis Schwelm. „Wir haben überlegt, was wir im Rahmen des Reformationsjubiläums machen könnten“, erzählt André Hagemeier, Geschäftsführer der Evangelischen Jugend im Kirchenkreis Schwelm. Verschiedene Ideen seien den Jugendmitarbeiterinnen und -mitarbeitern gekommen. „Schließlich fanden wir es gut, all das komprimiert in einer Reformationswoche anzubieten.“ Das Ergebnis ist eine Woche Gemeinschaft – zusammen wohnen im Gemeindehaus in Ennepetal mit täglich verschiedenen Aktionen.
Im Escape-Room machen sich die Jungs an die Arbeit. Wie können sie Luther finden? „Suchen wir nach einem Zettel mit seinem Namen, nach dieser Luther-Playmobilfigur. Oder was?“, will Gerrit wissen. Nach der Playmobilfigur, sagt Sabine Fasching.
Der Raum erinnert in seiner Einrichtung an Luthers Studierstube. Links steht eine Pritsche mit Bettzeug. An den Wänden hängen verteilt die 95 Thesen. Rechts ein Schreibtisch. Es ist eng mit den vielen Leuten im Raum. Kühl ist es außerdem – das Fenster steht auf. Sonst wäre die Luft hier schwer zu ertragen. Da passt der Begriff „Escape“ schon gut.
Die Fatboyz entdecken Rucksäcke, Taschen und eine große schwarze Kiste – allesamt abgeschlossen. Zum Öffnen muss die Gruppe jeweils einen Schlüssel oder eine Zahlenkombination finden. „Am Zahlenschloss dreht ihr bitte nur, wenn ihr einen konkreten Verdacht habt“, sagt Sabine. „Einfach nur dran herumspielen und es auf gut Glück versuchen, das gilt nicht.“ Genau das hat Leon eben versucht. Jetzt legt er den Rucksack brav auf die Seite.
Einer der Jungs findet eine kleine UV-Taschenlampe. „Licht aus“, ruft ein anderer. Sie fuchteln mit der Lampe herum. Eine Zahl leuchtet: 1517. Das ist nicht nur das „Geburtsjahr“ der Reformation, sondern auch die Kombination für das erste Zahlenschloss. Im Rucksack: Eine Geldbox. Der Schlüssel ist schnell gefunden. In der Box sind Münzen und Scheine in drei Währungen.
Leon befasst sich wieder mit einem Zahlenschloss. „Nein, Leon, nur bei konkretem Verdacht“, sagt Sabine bestimmt. Die anderen überlegen, was sie wohl mit den Währungen machen sollen. Sabine gibt ihnen einen Tipp. Schließlich stoßen sie an einem Bilderrahmen auf den nächsten Schlüssel. Der passt für eine Tasche. Darin finden sie ein Lateinwörterbuch.
Mit der Zeit macht sich ein köstlicher Duft nach Essen bemerkbar.Während die Jungs nach weiteren Hinweisen suchen und das Lateinwörterbuch wälzen, sind außerhalb des Escape-Rooms die meisten Jugendlichen und jungen Erwachsenen in ihr Zuhause für diese Woche zurückgekommen. Es wird gekocht. Es riecht wirklich lecker. Doch die Fatboyz scheinen das nicht zu registrieren.
Leon macht schon wieder am letzten verbliebenen Zahlenschloss herum. „Leon“, sagt Sabine sehr nachdrücklich. Er grinst, lässt vom Schloss ab und wendet sich den anderen Jungs zu. „Wieviel Zeit haben wir noch?“, fragt einer. „Es wird langsam knapp“, sagt ein anderer. Die Atmosphäre hat sich verändert. Während anfangs alle etwas ratlos wirkten, wird nun fieberhaft gearbeitet. Sie haben einen Hinweis gefunden – leider ist der in lateinischer Sprache. Aber sie können ihn übersetzen und wissen, was sie mit dem Geld anfangen sollen: „Irgendwas mit dem deutschen Geld, das wir mit sich selbst malnehmen sollen.“ So lösen die Fatboyz ein Rätsel nach dem anderen.
In der Kirche, die am Gemeindehaus anschließt, wird inzwischen nach dem Essen alles für den Kino-Abend vorbereitet. Außerdem hat jemand eine Hüpfburg aufgestellt. Darin vergnügen sich gerade Björn, Tobias und Diakonin Katharina. Alle drei sind sich einig, dass diese Reformationswoche eine super Sache ist. „Wann hat man schon mal eine Hüpfburg in einer Kirche?“, sagt die Diakonin noch etwas außer Atem.
Im Escape-Room wird es langsam eng mit der Zeit. Die letzte Aufgabe hat mit dem Lied „Ein feste Burg ist unser Gott“ zu tun. Sabine muss Leon schon wieder ermahnen, nicht wild am letzten Zahlenschloss herumzudrehen. „Noch acht Minuten“, ruft Gerrit. „O mann, wie kriegen wir die Sache denn jetzt gelöst?“, fragt Dennis leicht frustriert in die Runde. Es fehlt nur noch das Schloss an der schwarzen Kiste.
Noch zwei Minuten. „O nein, wir können Luther nicht retten. Was nun?“ Dennis gibt auf. „Dann gibt es heute keine Reformation“, witzelt Nico. Die Zeit ist um, die Kiste noch zu. Sabine gibt den Jungs noch einen Hinweis und Leon darf das Zahlenschloss nun öffnen. In der riesigen Kiste liegt er, der Luther. Die kleine Playmobilfigur. Dazu Bonbons, die Leon gleich großzügig verteilt.
Die Jugendlichen sind sich einig: „Das ist eine tolle Sache. Wir waren nur zu viele Leute“, meint Gerrit. „Oder es war einfach zu schwer für uns Holzköpfe?“, mutmaßt Dennis. Sabine Fasching lobt die Jungs. Schließlich haben sie es ja fast geschafft. „Und ihr seid nicht die einzige Gruppe, die in der Zeit nicht fertig geworden ist.“ Das scheint die Fatboyz zu trösten. Und weiter geht es zum Kino-Abend.