Die Gesellschaft ist im Wandel und wird immer vielfältiger. Das führt dazu, dass auch der Religionsunterricht sich wandeln muss, um allen Menschen gerecht zu werden. In Niedersachsen wird deshalb im kommenden Jahr der „Christliche Religionsunterricht“ eingeführt, der nicht mehr zwischen evangelischer und katholischer Konfession unterscheidet. Zusätzlich verlagern sich die Schwerpunkte im Fach Religion. Am 19. Dezember unterschreiben Kirchen und Land in einer Feierstunden den Vertrag.
„Mit dem christlichen Religionsunterricht reagieren die Kirchen darauf, dass wir weniger werden, deshalb unterscheiden wir künftig nicht mehr zwischen den Konfessionen“, erklärt Pfarrer Fritz Pinne, Leiter der Arbeitsstelle für Religionspädagogik der oldenburgischen Kirche. Parallel werde an den Schulen das Fach „Werte und Normen“ angeboten, das ohne dezidiert christliche Perspektive unterrichtet werde. „Der Wettbewerb tut gut“, ist der Theologe überzeugt, „das ist sehr belebend und führt zu guten Diskussionen. Religion ist wegen der besonderen Inhalte ein gerne genommenes Fach.“
Religionsunterricht: Den ganzen Menschen ansprechen
Religion spreche anders als Mathematik- oder Deutschunterricht den ganzen Menschen an mit Kopf und Herz und Hand, sagt Pinne. Im Religionsunterricht würden die Schüler auch seelisch wahrgenommen.
„Wir beschäftigen uns mit ihren Wünschen und Sehnsüchten und gucken, wie sie in ihrer Lebensgeschichte begleitet werden können.“ Sie dürften ihre Sorgen und Nöte äußern und bekämen eine Anleitung, wie man damit umgeht bis hin zur Bewältigung von traumatischen Erfahrungen.
Zugleich brächten die Schüler nicht mehr die Voraussetzungen mit wie früher. Oft seien die Eltern nicht mehr kirchennah. „Wir müssen heute neu anfangen zu erzählen, das schafft aber auch neue Chancen“, sagt Pinne. „Die Bibelgeschichten waren überbekannt, jetzt erleben die Schüler eine Erstbegegnung mit den biblischen Geschichten im modernen Gewand.“
Neue Herausforderungen für Lehrkräfte in Niedersachsen
Der Unterricht mache die Lehre deutlich und biete Lebenshilfe an. Er sei im Alltag der Kinder angesiedelt und beschäftige sich mit aktuellen Themen wie beispielsweise Klimaschutz als Bewahrung der Schöpfung. Hier fühlten sich alle angesprochen. „Das weckt Interesse und führt auch zu Aha-Momenten. Wir sind offen für alle Religionen und auch für diejenigen, die keinen Glauben haben.“
Mit einer multikulturellen Schülerschaft kommen auf die Lehrkräfte neue Situationen zu. „Die größte Herausforderung ist tatsächlich die religiöse Vielfalt der Kinder von Nichts bis hin zu uns fremden Religionen“, erläutert Manuela Ehrt, Fachleitung Religion an der Schule an der Ellerbäke. „Das Fach soll Spaß machen und Freude an Religionen und ihren Möglichkeiten wecken, ohne oberflächlich zu werden. Dazu gehören Doppelstunden im Schulalltag und Religionsfreiheit in Form von Kurswahlen.“
Reli-Unterricht: Unterschiedliche Perspektiven berücksichtigen
Religionslehrer stünden vor der Herausforderung, individuelle Glaubensfragen der Schüler zu berücksichtigen, sagt auch Pädagogin Janine Stiekel. „Gleichzeitig müssen sie sensible Themen wie Tod, Trauer oder ethische Konflikte altersangemessen und ansprechend thematisieren. „In unserer zunehmend pluralistischen Gesellschaft gilt es dabei, unterschiedliche religiöse und weltanschauliche Perspektiven zu berücksichtigen.“
Der Imageschaden der Kirche durch den Umgang mit dem Thema Missbrauch habe zusätzlich dazu geführt, dass der Rückhalt in der Gesellschaft erschüttert worden sei, erklärt Pinne. Da habe man inzwischen Schutzkonzepte erarbeitet und damit angefangen, das Thema aufzuarbeiten, statt es unter den Teppich zu kehren. „Die Kirche ist da schon ein Stück voran gegangen, die Konzepte werden nun auch in den Schulen verankert.“