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Regisseur Bellocchio: Katholizismus als “Staatsreligion” erlebt

Der italienische Regisseur Marco Bellocchio (84) hat nach eigenen Worten den Katholizismus in seinem Heimatland einst als Staatsreligion erlebt. “Als ich jung war, gab es keine andere ‘wahre’ Kirche als die katholische”, sagte Bellocchio der Münchner “Abendzeitung” (Mittwoch). Sein aktueller Film “Die Bologna-Entführung – Geraubt im Namen des Papstes” (ab Donnerstag im Kino) spiele indes noch einmal 100 Jahre früher. Das Selbstverständnis des Papstes sei damals gewesen, dass die Kirche selbst heilig sei und daher nicht in Widerspruch zu ihren Prinzipien und der Vergangenheit stehen dürfe.

Der Film erzählt die wahre Geschichte des jungen Edgardo Mortara. Am 24. Juni 1858 entriss die Polizei in Bologna, das damals noch zum Kirchenstaat gehörte, den siebenjährigen Jungen seiner jüdischen Familie. Da ihn sein christliches Kindermädchen getauft habe, sollte er in einem katholischen Knabenheim zum Priester erzogen werden. Das Kind wurde zu einem Schützling von Papst Pius IX.

An dem Stoff habe ihn auch gereizt, dass die private Geschichte des Jungen und der jüdischen Familie in die große Geschichte Italiens und der Welt hineinspiele, sagte der Regisseur. Über den Skandal sei sogar in den USA berichtet worden. “Frankreich und Österreich intervenierten diplomatisch – aber ohne Erfolg”, so Bellocchio.

In einem Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) und des Kinoportals filmdienst.de (Mittwoch) ergänzte der Filmemacher: “Ich habe den Film nicht aus einer politischen Überzeugung heraus gemacht, oder um gegen die Kirche zu polemisieren, sondern um von einem Drama zu erzählen, von der Tragödie eines Kindes, das aus seiner Familie herausgerissen wird.”

Bellocchio bestätigte weiter, dass auch Steven Spielberg an dem Stoff interessiert gewesen sei. Dieser habe das Projekt aber aufgegeben: “Warum, weiß ich nicht genau. Vielleicht hat er sich in diesem komplizierten italienischen geschichtlichen Umfeld nicht sicher genug gefühlt.” Inzwischen habe der US-Regisseur den Film gesehen und gesagt, “dass das so nur ein Italiener machen konnte: ‘melodramatisch italienisch'”.

Positive Rückmeldungen hat Bellocchio nach eigenen Aussagen auch von der jüdischen Gemeinde Italiens erhalten. Der Oberrabbiner von Rom habe ihm gesagt, man sei glücklich, dass er sich mit der jüdischen Situation zwischen Emanzipation, Angst und Demütigung befasst habe.