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Rechtsgutachten skeptisch bei Antisemitismusklausel

Der Berliner Verfassungsrechtler Christoph Möllers sieht staatliche Verpflichtungsklauseln gegen Antisemitismus in der Kulturförderung skeptisch und hat vor Symbolpolitik gewarnt. Wenn der Staat entsprechende Rechtspflichten festlege, müsse er auch den Willen haben, diese durchzusetzen, schreibt der Juraprofessor an der Berliner Humboldt Universität in einem im Auftrag von Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) erstellten Gutachten.

In der aktuellen kulturpolitischen Debatte sei wenig von der „Durchsetzungsebene“ zu hören. Wer aber nicht bereit sei, eine Regel durchzusetzen, sollte sich fragen, warum sie überhaupt verrechtlicht werden soll, so Möllers in seinem 34-seitigen Gutachten, das dem Evangelischen Pressedienst (epd) vorliegt. Überschrieben ist der Passus „Durchsetzung oder symbolisches Kulturverwaltungsrecht“. Das Gutachten behandelt die Zulässigkeit präventiver Maßnahmen der Bekämpfung von Antisemitismus und Rassismus in der staatlichen Kulturförderung.

Möllers warnt angesichts eines „stark auf staatliches Handeln bezogenen Kultursektor“ vor einer „Kontrolle des gesamten öffentlichen Kulturbetriebes“. Dies begründe ein „nachvollziehbares Unbehagen“. Dem Gesetzgeber sei es grundsätzlich möglich, die Vergabe staatlicher Mittel durch eine Verpflichtung gegen Antisemitismus und Rassismus zu ergänzen. Dieser Schritt folge einem „allgemeinen Trend“, staatliche Fördermaßnahmen an weitere politische Ziele zu binden. Dies werde „selten gesehen“, so Möllers.

Zugleich warnt der Staatsrechtler vor unbestimmten Begriffen in Klauselentwürfen wie etwa die Verpflichtung auf eine „vielfältige Gesellschaft“. Der Jurist hatte bereits nach dem Antisemitismus-Eklat auf der staatlich geförderten Kunstschau documenta 15 im Jahr 2022 ein Gutachten für Roth vorgelegt.

Das neue, jetzt bekannt gewordene Gutachten von Möllers war dem Vernehmen nach in der vergangenen Woche Thema der Kulturministerkonferenz. Dabei verständigten sich Roth, die Ressortchefs der Länder und die kommunalen Spitzenverbände in einer Erklärung auf „Strategien gegen antisemitische, rassistische und andere menschenverachtende Inhalte im öffentlich geförderten Kulturbetrieb“.

Sie beinhaltet unter anderem die Bearbeitung „rechtssicherer Regelungen“, „Workshops zur Sensibilisierung“ sowie eine verstärkte Eigenverantwortung. Roth forderte damals von den geförderten Einrichtungen und Projekten „in Eigenverantwortung“ erarbeitete „Code of Conducts“, also einen Verhaltenskodex.

Die Debatte um Klauseln gegen Antisemitismus und Rassismus war nach der Berlinale Ende Februar neu entfacht. Während der Preisverleihung war der Nahostkonflikt von Preisträgern thematisiert worden. Israel wurde dabei mit Blick auf den Gaza-Krieg unter anderem „Genozid“ vorgeworfen worden, die israelischen Opfer der Gräueltaten der Terrororganisation Hamas aber nicht erwähnt. Schon zuvor hatte Berlins Kultursenator Joe Chialo (CDU) wegen rechtlicher Bedenken einen Entwurf für eine Antisemitismusklausel zurückgezogen.