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Rechtsanwältin identifiziert kritische Zeiten für die Liebe

Weihnachten ist das Fest der Liebe. Manchmal ist es aber auch das Fest, an dem die Liebe stirbt. Dann steht als Neujahrsvorsatz an: Ich lasse mich scheiden. Scheidungsanwältin und Autorin Renate Maltry erklärt, warum.

Die Feiertage sind vorbei, das neue Jahr gefühlt schon mittendrin. Die Münchner Rechtsanwältin Renate Maltry weiß schon vorab, was nun auf sie zukommt – nämlich vermehrte Anfragen von Menschen, die sich von ihrem Partner trennen oder sich scheiden lassen wollen.

Im Jahr 2023 endeten laut Statistischem Bundesamt knapp 130.000 Ehen mit der Scheidung. Das Portal Statista weist nach, dass diese Ehen im Durchschnitt nach rund 15 Jahren geschieden wurden. Die meisten Scheidungen aber wurden von Paaren vollzogen, die über 26 Jahre lang miteinander verheiratet waren.

Damit kennt sich Maltry aus. Sie hat im vergangenen Sommer zusammen mit dem Familientherapeuten Heinz-Günter Andersch-Sattler das Buch “Doch noch scheiden oder weiter leiden? Trennung und Scheidung in der Lebensmitte” veröffentlicht.

Nach Maltrys Erfahrung kommt es nach Weihnachten zu vermehrten Nachfragen und Erstberatungen im Hinblick auf die Folgen einer Trennung. Von einer Hochsaison für Scheidungen würde sie allerdings nicht sprechen.

Trennungen oder Scheidungen kommen in der Regel nicht aus heiterem Himmel. Die Familienrechtlerin spricht von einer “langen Ambivalenzphase”, in der Trennungsgedanken da sind. Ihrer Erfahrung nach fragen sich manche etwa nach dem Sommerurlaub: “Soll ich mich trennen, ja oder nein?” Über die Weihnachtstage verstärke sich diese Frage dann. Der Knackpunkt, so hat Maltry festgestellt, komme mit dem Jahreswechsel. “Dann überlegt man sich und sagt, OK, jetzt will ich neu starten.” Und zwar ohne den Partner.

Etwas bessere Chancen räumt die Scheidungsanwältin jenen Paaren ein, bei denen es an den Feiertagen richtig geknallt hat, “einfach, weil die Erwartungshaltung an das Fest sehr hoch ist.” Manchmal bleibe das einfach “nur so ein Streit, wo sich manches entzündet hat, und dann aber stellt man fest, dass die Beziehung doch wieder funktioniert”, stellt Maltry fest.

Ähnlich wie die Situation um die Jahreswende herum ordnet die Münchner Familienrechtlerin auch den gemeinsamen Urlaub ein. “Viele erwarten: Jetzt haben wir eine wunderbare Zeit miteinander – und diese wunderbare Zeit gestaltet sich dann oftmals ganz anders.” Dann stelle man sich die Frage, ob man noch die passenden Gefühle für den Partner oder die Partnerin habe – oder die Liebe schon bröckelt.

Manchmal sei aber auch schon ein neuer Partner im Spiel, hat Maltry in ihrer langjährigen Praxis erfahren. Das komme schon einmal heraus, wenn der Partner die ganze Zeit auf das Handy schaue und Nachrichten verschicke.

Reha-Kuren nach lebensverändernden Krankheiten wie zum Beispiel einem Herzinfarkt oder einem Schlaganfall stellen ebenfalls eine Herausforderung für eine Ehe dar, wenn auf einmal ein “Kurschatten” ins Spiel kommt – ein Verhältnis oder ein Seitensprung während einer Kur. Dies sei indes “für eine Ehe auch nur dann eine Herausforderung, wenn vorher schon irgendwas nicht in Ordnung war”, sagt Maltry. “Wenn ich eine gute Beziehung habe, dann brauche ich keinen Kurschatten, dann fällt mir kein anderer auf.”

Nach Ansicht der Scheidungsanwältin führen jedoch lebensverändernde Krankheiten zu ähnlichen Überlegungen wie die in der Zeit um Weihnachten oder Neujahr, nämlich: “Will ich so noch weiterleben?” Besonders bei älteren oder schon lange verheirateten Paaren kämen solche Fragen auf. Und dabei spielt natürlich auch die hohe Lebenserwartung eine Rolle: “Will ich den Rest meines Lebens, der durchaus noch 20 Jahre und mehr sein kann, so verbringen? Was will ich noch von meinem Leben?” Das seien entscheidende Fragen.

Wenn dann eine trennungswillige Person beim Anwalt sitzt, dann sagt Maltry, müsse sie ihm oder ihr erst einmal das Juristische erklären und sagen, was genau zu tun sei. Sei das geklärt, dann könne sie fragen, wohin denn die Reise gehen solle. Ob es noch eine Perspektive für die Beziehung gebe? Auch das müsse geklärt werden.

Die schlimmsten Fälle sind für die Scheidungsanwältin die Fälle, in denen Gewalt im Spiel ist. Besonders gute seien dagegen jene, wenn man eine gemeinsame Lösung finde. Maltry sieht es als den Königsweg an, wenn beide Partner besonders im Hinblick auf gemeinsame Kinder eine Art “Familiengesellschaft” gründen. Das gemeinsam erwirtschaftete Vermögen kommt dann in einen Familienpool, über den beide entscheiden.

Dafür ist es wichtig, dass sich beide Partner nicht gegenseitig zerfleischen. Die Anwältin hat in ihrem Buch über Scheidungen nach der Lebensmitte viele Tipps für eine konfliktarme Scheidung zusammengestellt. Was sie unbedingt anrät: einen Ehevertrag abzuschließen – in guten Zeiten.