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Raum und Zeit für tröstliche Abschiede

Rund 30 Prozent der Menschen sterben im Pflegeheim. In Wuppertal arbeiten die stationären Alteneinrichtungen der Diakonie eng mit dem Hospizdienst zusammen, um die Bewohner würdevoll auf ihrem letzten Weg zu begleiten

Die weiße, dicke Kerze im Eingang brennt. Das aufgeschlagene Kondolenzbuch auf dem dunklen Stehpult davor wartet auf letzte Worte. Aus dem Abschiedsraum eine Etage tiefer dringt leise Musik. Auch hier brennen Kerzen, Blumen schmücken den Raum, eine Abschiedskiste mit den Lieblingsgegenständen des Verstorbenen steht auf der Kommode. Die Tote liegt auf einer weißen Liege, die mit Rosenblättern geschmückt ist. Angehörige, Mitbewohner und das Personal des Reformierten Gemeindestifts Elberfeld in Wuppertal sind eingeladen, Abschied zu nehmen.

Frühzeitig über Sterbebegleitung reden

„Bei uns fällt es den Bewohnern nicht erst am Mittagstisch auf, dass jemand fehlt“, sagt Pflegedienstleiterin Beate Pilny. „Die Trauer hat hier Raum und Zeit, genau wie das Sterben.“ Schon seit 1996 arbeitet das Altenheim mit dem Hospizdienst vor Ort zusammen. Vor vier Jahren wurde die gesamte Betreuung und Pflege für die 125 Bewohner im Sinne einer Hospiz- und Palliativkultur umstrukturiert. An dem Projekt nehmen noch sieben weitere stationäre Einrichtungen der Diakonischen Altenhilfe Wuppertal teil.
„Tod und Sterben wird nicht erst zum Thema, wenn ein Bewohner Krebs hat“, erklärt Katharina Ruth vom Hospizdienst „Pusteblume“, die das Projekt koordiniert. „Sechs Wochen nach der Aufnahme findet ein erstes Gespräch über Sterbebegleitung statt.“ Dabei geht es bereits um die Frage, ob und wann eine Einweisung ins Krankenhaus stattfinden soll. Auch das Thema künstliche Ernährung wird angesprochen.
Wenn ein Bewohner todkrank ist und sich selbst nicht mehr äußern kann, findet ein ethisches Fallgespräch mit Angehörigen, dem Hausarzt und dem Pflegepersonal statt. Das Ergebnis ist meist ein Notfallplan, auf den sich alle geeinigt haben. Er schreibt vor, welche Maßnahmen in einer lebensbedrohlichen Krise eingeleitet oder auch unterlassen werden.
„Wir wollen die Mitarbeitenden aus der Einzelverantwortung entlassen“, betont Katharina Ruth. „Entscheidungen werden gemeinsam getroffen und getragen.“ Und zwar nicht von einem kleinen Expertenteam, sondern dem gesamten Haus. Alle Angestellten, die mindestens auf einer halben Stelle arbeiten, haben Schulungen in Palliativer Praxis durchlaufen, auch die Haustechnik und die Verwaltung. Zehn Pflegekräfte sind zudem in Palliativpflege ausgebildet.
Unterstützt wird das Team von ehrenamtlichen Mitarbeitenden des Hospizdienstes „Pusteblume“. Sie begleiten sterbende Menschen und deren Angehörige, wenn diese es wünschen. An dem Projekt beteiligt sich noch ein weiterer ambulanter Hospizdienst der Diakonischen Altenhilfe Wuppertal, so dass in den acht Einrichtungen über 70 ehrenamtliche Hospizhelfer unterwegs sind.

Hospizdienst-Förderverein finanziert das Projekt

Finanziert wird das Projekt vom Förderverein des Hospizdienstes „Pusteblume“. „Ohne dieses Geld und das besondere Engagement der Hospizdienste hätten wir die intensive Sterbebegleitung in unseren Altenheimen nicht etablieren können“, räumt der Geschäftsführer der Dia­konischen Altenhilfe Wuppertal, Andreas Polack, ein. Er fordert die Politik daher auf, endlich Gelder für eine professionelle Sterbebegleitung in den Altenheimen bereitzustellen.
„Die große Herausforderung der stationären Altenhilfe sind heute nicht mehr die Demenzkranken, sondern die Sterbenden“, so Polack. Es könne nicht sein, dass Pflegeheime und ambulante Dienste im Hospiz- und Palliativgesetz zwar zur Sterbebegleitung verpflichtet würden, aber kein Geld dafür erhielten – im Gegensatz zu den stationären Hospizen und Palliativstationen. „Dabei sterben dort die wenigsten Menschen, nämlich nur rund vier Prozent.“
Hinzu kommt, dass die Plätze in den Hospizen begrenzt sind. Manchmal, so erzählt Beate Pilny, nimmt das Reformierte Gemeindestift deshalb auch jüngere todkranke Menschen auf. „Es hat sich herumgesprochen, dass wir hier eine gute Sterbebegleitung anbieten.“
Auch Wolfgang Hanstein war das für seine demenzkranke Mutter wichtig. „Ich wollte, dass sie bis zu ihrem Lebensende liebevoll versorgt wird und zum Sterben nicht in ein Krankenhaus muss.“ Kurz nach ihrem 100. Geburtstag starb die alte Dame. Sie sei friedlich eingeschlafen, erzählt Wolfgang Hanstein. „Und am nächsten Tag hat das ganze Haus in einer schönen und tröstlichen Zeremonie von ihr Abschied genommen.“