Eine neue Leitung und letztlich ein neues Seminar: Die bundesweit einmalige Rabbinerausbildung in Potsdam steht vor einer Neuordnung – sofern eine Stiftung genehmigt wird. Dabei geht es angeblich nur noch um Formalien.
Bis zum Start des akademischen Wintersemesters ist nicht mehr viel Zeit. Es beginnt meist Anfang bis Mitte Oktober – und dann könnte es gravierende Neuerungen in der Ausbildung von Rabbinerinnen und Rabbinern in Deutschland geben. Es geht um zwei Seminare unterschiedlicher Strömungen des Judentums. Die in Potsdam angesiedelte Ausbildung soll neu strukturiert werden, worüber sich jedoch der Zentralrat der Juden in Deutschland und die Jüdische Gemeinde zu Berlin streiten.
Jetzt ist der Zentralrat nach eigenen Angaben offenbar so gut wie an seinem Ziel: Für eine geplante Stiftung als neue Trägerin der beiden Rabbinerseminare habe das Brandenburger Finanzministerium grünes Licht gegeben, so ein Sprecher des Zentralrats am Donnerstag. “Es geht jetzt nur noch um Formalien.” Vonseiten des Ministeriums gab es bisher keine Bestätigung. Der Zentralrat geht jedenfalls davon aus, dass die Stiftung zum Wintersemester 2024/25 ihre Arbeit aufnimmt.
Die Berliner Gemeinde ist aktuell Trägerin des Abraham-Geiger-Kollegs für die liberale und des Zacharias-Frankel-Colleges für die konservative Ausbildung von Rabbinerinnen und Rabbinern. Ausgebildet werden darüber hinaus Kantorinnen und Kantoren. Die An-Institute der Universität Potsdam sind die bundesweit einzigen Ausbildungsstätten dieser Art, und wer sie absolviert, ist oft auch international tätig.
Anfang 2023 hatte die Gemeinde die jeweilige Trägerschaft von der Leo-Baeck-Foundation übernommen. Hintergrund waren Vorwürfe gegen Rabbiner Walter Homolka unter anderem wegen Machtmissbrauchs und weiteren Fehlverhaltens. Er bestreitet die Vorwürfe, ging gerichtlich gegen sie vor und zog sich von Ämtern in der jüdischen Gemeinschaft zurück. Er war auch Rektor des Geiger-Kollegs. Der Zentralrat ist nicht damit einverstanden, dass die Gemeinde die Trägerschaft übernahm, und sieht die Lösung in der Stiftung.
Jetzt wurden einige Details bekannt. Die Stiftung soll nach Rabbiner Nathan Peter Levinson (1921-2016) benannt werden. Levinson galt in der Nachkriegszeit als Brückenbauer hin zu nichtjüdischen Deutschen – und auch zwischen liberalem und orthodoxem Judentum, wie vor acht Jahren Zentralratspräsident Josef Schuster zu dessen Tod erklärte.
Leiter der liberalen Rabbinerausbildung soll laut Sprecher des Zentralrats Rabbiner Yehoyada Amir werden. Dieser habe bis zu seiner Emeritierung über zehn Jahre die liberale Rabbinerausbildung in Jerusalem geleitet. Der Sprecher bestätigte auch einen Bericht der “Welt”, wonach der Name der liberalen Rabbinerausbildungsstätte Regina-Jonas-Seminar sein soll. Die in Berlin wirkende Jonas war weltweit die erste Rabbinerin und wurde 1944 in Auschwitz ermordet.
Als staatliche Geldgeber stärken das Bundesinnenministerium, das Brandenburger Ministerium für Wissenschaft und die Kultusministerkonferenz dem Zentralrat den Rücken und begrüßen ein Stiftungsmodell: Die Rede ist von einem in der Vergangenheit entstandenen Vertrauensverlust in die aktuelle Trägerstruktur. Die Zuwendungsgeber wollen sich zudem “äußerste Zurückhaltung im Hinblick auf innerreligionsgemeinschaftliche Angelegenheiten” auferlegen.
Auch das Frankel-College hatte sich erfreut über eine mögliche Stiftung gezeigt. Es vertritt die konservative Masorti-Strömung, die zwischen Reform und Orthodoxie liegt und Tradition mit modernem Leben verbindet.
Wenig überraschend ist, dass die Stiftungspläne bei der Gemeinde in der Hauptstadt auf Kritik stoßen: “Die Ausbildung liberaler Rabbiner und Rabbinerinnen sowie Kantoren und Kantorinnen muss auch weiterhin in den Händen der liberalen Institutionen liegen”, so der Vorsitzende Gideon Joffe im Juni.
Vor einer Woche erklärte die Gemeinde anlässlich eines Artikels im “Spiegel”, sie unterstütze als Mitglied des Zentralrats “fast ausnahmslos die politische Arbeit dieser Institution”. Sie verwahre sich allerdings gegen einen “Alleinvertretungsanspruch” gegenüber Ansprechpartnern aus der Politik in religiösen Angelegenheiten. Alle drei staatlichen Zuwendungsgeber versuchten, in innerreligiöse Angelegenheiten einzugreifen.
Eine weitere Entscheidung steht ebenfalls bevor: Das Geiger-Kolleg will eine Auszahlung von Fördermitteln des Bundesinnenministeriums erwirken. Dazu ist seit 19. März ein Eilverfahren am Berliner Verwaltungsgericht anhängig. Einem Gerichtssprecher zufolge wird nicht vor Ende August mit einer Entscheidung zu rechnen sein. Die Gemeinde erklärte, sie und das Kolleg hätten “nachweislich alle Auflagen erfüllt, die die Zuwendungsgeber in ihrem Zuwendungsbescheid vermerkt haben”, etwa neue Compliance-Regelungen.
Das Ministerium teilte mit, es äußere sich grundsätzlich nicht zu laufenden Gerichtsverfahren, und verwies auf eine Erklärung der Geldgeber und des Zentralrats von Februar. Darin bekräftigen sie unter anderem, “auch künftig eine auf breite Akzeptanz treffende liberale und konservative Rabbinats- und Kantoratsausbildung für die jüdischen Gemeinden in Deutschland zu sichern”.