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Psychiater: Papstamt ist menschlich gesehen Überforderung

Gebildet, vielseitig, fromm: Der Papst soll nicht weniger sein als die sprichwörtliche eierlegende Wollmilchsau. Psychiater Manfred Lütz hält das für eine Überforderung. Doch das Amt könne ungeahnte Kräfte wecken.

Nach Ansicht des Psychiaters, Psychotherapeuten und Theologen Manfred Lütz ist das Papstamt menschlich gesehen eine Überforderung. Das sagte Lütz der in Würzburg erscheinenden katholischen Wochenzeitung “Die Tagespost” (Dienstag, online). Ein Papst solle charismatisch, fromm, heiligmäßig, theologisch gebildet und ein Intellektueller sein, sich außerdem politisch auskennen, diplomatisches Geschick haben, möglichst viele Sprachen sprechen und mit normalen Menschen auf Augenhöhe reden. “Diesen Menschen, der das alles draufhat, gibt es nicht”, so Lütz. Mit den Hoffnungen, die man in den Papst projiziere, könne man ihn daher nur überfordern.

Angesichts von Gesellschaften, die zwischen Konservativen und Progressiven, zwischen Nord und Süd, zwischen Links und Rechts gespalten seien, müsse der neue Papst in der Kirche Einheit in der Vielfalt bewahren, sagte Lütz. “Die Konservativen, die sich unter Franziskus mitunter etwas vor den Kopf gestoßen fühlten, müssten sich vielleicht wieder etwas mehr verstanden und respektiert erleben. Den Progressiven andererseits müsste der nächste Papst vermitteln, dass er die Reformen von Franziskus nicht einfach zurückdrehen, sondern sozusagen zukunftsfähig machen will.”

Allerdings habe er den Eindruck, dass die Papstwahl für den Gewählten auch etwas Befreiendes haben könne, erklärte Lütz. “Papst Benedikt war als Kardinal eher ein wenig scheu und liebte Massenveranstaltungen nicht.” Aber auf den Weltjugendtagen in Köln und Madrid habe er befreit gewirkt – “obwohl ich glaube, dass er sein Amt vor allem als Last erlebt hat”. Auch Papst Franziskus sei vor seiner Wahl eher zurückhaltend gewesen. “Doch sobald er Papst war, sprudelte es nur so aus ihm heraus, er schrieb Bücher, ging auf Menschen zu.”