Der Morgennebel zieht um das leerstehende Haus im Süden Braunschweigs. Aus einem Fenster wabert ein noch dichterer Dunst, es sieht aus, als ströme Rauch aus. Chris Lehmann alarmiert per Funk das Löschgruppenfahrzeug. „Es ist schön, dass wir hier unter realitätsnahen Bedingungen arbeiten können“, sagt der Prüfer der Berufsfeuerwehr Braunschweig. Mit Blaulicht kommt die erste Gruppe der Auszubildenden vorgefahren, die ihre praktische Prüfung ablegen sollen. In dem Abrisshaus simuliert eine Nebelmaschine, wie der Qualm im Brandfall die Sicht nimmt.
Es sind angehende Berufs- und Werkfeuerwehrleute, die jetzt ihr Fahrzeug abstellen und Schläuche ausrollen. Die Brandbekämpfung wird in Deutschland mehrheitlich von Freiwilligen Feuerwehren geleistet. Nach den aktuellsten Angaben des Deutschen Feuerwehrverbandes engagierten sich dort 2020 mehr als eine Million Menschen. Daneben gab es rund 35.000 Berufsfeuerwehrleute und gut 33.000 in den Werkfeuerwehren. Im Schnitt waren nur rund drei Prozent von ihnen Frauen.
Wie in vielen Branchen falle es auch der Berufsfeuerwehr zunehmend schwer, Nachwuchs zu gewinnen, sagt deren Braunschweiger Sprecher, Christian Längle. „Als ich 1995 bei der Feuerwehr angefangen habe, hatten wir bei 16 freien Stellen mehr als 860 Bewerber“, erzählt er. „Heute sind wir froh, wenn wir alle Stellen besetzt kriegen.“
Fabian Ahlfeld gehört zu denjenigen, für die der Beruf eine Herzensangelegenheit ist. „Ich habe mich dafür entschieden, weil ich gern Leuten helfe“, sagt der 30 Jahre alte Prüfling am Rande des Einsatzes. Gemeinsam mit seinen Kollegen kippt er die lange Steckleiter an die Mauer und schiebt sie seitlich bis zu einem Fenster im ersten Stock des Hauses. Dann klettert er hoch, um einen Menschen zu retten, der hinter dem geöffneten Fenster zu sehen ist.
Zur Sicherheit trägt Ahlfeld eine Atemmaske. Doch in das Zimmer, in dem ein Kollege den zu Rettenden mimt, sind bisher weder Rauch noch Flammen eingedrungen. Es bleibt Zeit, den Kollegen mit einer Seilkonstruktion zu sichern, bevor der Retter ihn nach unten begleitet. „Jetzt langsam“, sagt Ahlfeld, der immer eine Stufe tiefer steht, um Rückhalt zu vermitteln. „Immer ein Bein nach dem anderen. Das machen Sie sehr gut.“
Der angehende Feuerwehrmann war vorher lange als Industriemechaniker tätig. Eine abgeschlossene Lehre ist Voraussetzung, wenn Männer und Frauen zur Berufsfeuerwehr wollen. Schon mit zehn Jahren engagierte sich Ahlfeld in der Freiwilligen Feuerwehr. „Ich brenne dafür“, sagt der Mann mit dem markanten Kinn. In Absprache mit seiner Frau hat sich der Vater eines zweijährigen Kindes deshalb entschieden, noch einmal neu durchzustarten, auch wenn die Familie zunächst weniger Geld und weniger gemeinsame Zeit hat und der Beruf riskant sein kann. „Angst habe ich nicht“, sagt er. „Respekt würde ich eher sagen.“
In der nächsten Prüfungsrunde am Abrisshaus bleiben Helias Sonnet und Sarah Burgdorf ein Stück weit hinter ihren Kameraden zurück, die sich dem simulierten Brand nähern. „Sie bilden den sogenannten Rettungstrupp, um die eigenen Leute zu sichern“, erläutert Feuerwehrsprecher Längle. „Es gab in den letzten Jahrzehnten leider einige Unfälle, auch bei großen Feuerwehren, deshalb wird das so gemacht.“ In dem Zimmer, aus dem der Nebel-Rauch quillt, haben die Prüfer eine 80 Kilogramm schwere Puppe abgelegt, die aus dem Haus gebracht werden muss.
Weil die Sicht so schlecht ist, müssen die Feuerwehrleute sich dabei möglichst dicht am Boden bewegen, erläutert Längle: „im Seitenkriechgang.“ Am Ende der gelungenen Rettung legen Helias Sonnet und Sarah Burgdorf die Puppe in stabiler Seitenlage auf eine Matte.
Sonnet ist seit April bei der Feuerwehr. Er hat vorher Notfallsanitäter gelernt und bringt schon einen Teil dessen mit, was auch für die anderen zur Ausbildung gehört. Als Feuerwehrmann habe er Einblick in das Leben anderer Menschen, auch bei den kleinen Dramen des Alltags, sagt der 25-Jährige. „Besonders Einsätze mit Kindern sind belastend. Und wenn man eine Verbindung spürt, weil jemand vielleicht dem eigenen Großvater ähnlich sieht.“
Die Belastung im Einsatz ist gestiegen, darauf hat erst kürzlich die Gewerkschaft ver.di anlässlich eines Treffens der gewerkschaftlich organisierten Feuerwehrleute hingewiesen. „Nicht nur die tätlichen Angriffe haben in den vergangenen Jahren zugenommen, auch die verbale Gewalt“, sagte der Vorsitzende des Bundesfachverbandes Feuerwehr der Gewerkschaft, Mario Kraatz. Auch der Klimawandel mache sich durch vermehrte Böschungsbrände und Starkregenereignisse bemerkbar – die Herausforderungen für die Feuerwehr steigen.