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Protest gegen ausbleibende Wahlempfehlung der “Washington Post”

In den USA sind Wahlempfehlungen von Zeitungen üblich. Doch die von Amazon-Gründer Jeff Bezos übernommene “Washington Post” und die “Los Angeles Times” versagen Kamala Harris die Unterstützung. Das sorgt für Kritik.

Die Entscheidung der US-amerikanischen Tageszeitungen “Washington Post” und “Los Angeles Times”, keine Wahlempfehlungen für die demokratische Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris zu veröffentlichen, ist von 19 Redakteuren scharf kritisiert worden. Der früherer Chefredakteur der “Washington Post”, Marty Barton, nannte den Schritt “Feigheit, der die Demokratie zum Opfer fällt”.

Im US-amerikanischen Journalismus sind Wahlaussagen für einen bestimmten Kandidaten üblich. Bei den meisten Blättern ist dafür die Redaktionsabteilung für Meinung und Kommentare, das sogenannte Editorial Board des jeweiligen Blattes zuständig.

Die Reporterlegenden Bob Woodward und Carl Bernstein, die als Journalisten der “Post” den Watergate-Skandal aufdeckten, sprachen in einem Statement zu der nun gefällten Entscheidung von einer “großen Enttäuschung”. Auch wiesen sie darauf hin, dass das Blatt bislang “seine enormen Ressourcen und seinen Einfluss” genutzt habe, um über Gefahren einer zweiten Amtszeit des republikanischen Kandidaten Donald Trump aufzuklären. Die “Washington Post” hatte sich bei den Wahlen 2016 und 2020 für die demokratische Kandidatin Hillary Clinton beziehungsweise Joe Biden ausgesprochen.

“Post”-Eigner Jeff Bezos steht seit dem Wochenende zudem unter Druck, da am gleichen Tag, als die Zeitung ihre Entscheidung verkündete, Top-Manager seines Luft- und Raumfahrtunternehmens Blue Origin einen Termin bei Donald Trum hatten. Nach amerikanischen Medienberichten bewerben sich sowohl Blue Horizon wie Amazon um lukrative Aufträge der US-Regierung. Der bekannte “Post”-Kolumnist Robert Kagan trat daraufhin am Wochenende zurück. Kagan vertritt die Meinung, dass Trump die Blue-Origin-Führungsspitze bei einer Wahlempfehlung des Blattes für Harris nicht empfangen hätte. “Es gab klar einen Deal”, sagte Kagan dem Online-Dienst “Daily Beast”.

Bei der “Los Angeles Times” habe Verleger und Eigentümer Patrick Soon-Shiong bereits am 11. Oktober entschieden, dass sein Blatt anders als in den Vorjahren keine Wahlempfehlung abgibt, sagte die zurückgetretene Kommentar-Chefin Farza der Fachzeitschrift “Columbia Journalism Review”. Die Entscheidung gegen die Wahlempfehlung sei völlig unerwartet gekommen, auch bei der “Los Angeles Times” habe ein Entwurf für den entsprechenden Leitartikel bereits vorgelegen. Der durch Biotech-Unternehmen reich gewordene Soon-Shiong hatte die “Los Angeles Times” 2018 für rund 500 Millionen Dollar übernommen und erklärt, die Zeitung zu einer “Bastion der Demokratie” zu machen.