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Polnischer Erzbischof: Die Kirche steht immer an der Seite der Opfer

Rund 1.400 Menschen aus Deutschland und Polen haben bei einem katholischen Gedenkgottesdienst an die Befreiung des Konzentrationslagers Dachau vor 80 Jahren erinnert. „Die Kirche stand, steht und wird immer eindeutig und unwiderruflich auf der Seite der Opfer stehen“, sagte der stellvertretende Vorsitzende der Polnischen Bischofskonferenz, Erzbischof Józef Kupny (Breslau), laut Mitteilung am Samstag in der KZ-Gedenkstätte. Polen und Deutschland hätten – geprägt durch die Erfahrungen der totalitären Regime des 20. Jahrhunderts – die Verantwortung, die Welt vor fatalen Folgen zu warnen, wenn der Mensch an die Stelle Gottes trete, sagte Kupny weiter. Das KZ Dachau hat für Polen eine besondere Bedeutung: Mit mehr als 40.000 Inhaftierten, davon 1.800 Priestern, machten Polen die größte nationale Gruppe von Häftlingen aus.

Der stellvertretende Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Michael Gerber (Fulda), zog ebenfalls Parallelen zu heute: Das NS-Regime habe im Frühjahr 1933 – zu der Zeit, als das KZ Dachau entstand – in ungeheurer Geschwindigkeit die bestehende Rechtsordnung ausgehebelt, sagte er laut Redemanuskript. Dies sei der Anfang einer grauenvollen Entwicklung gewesen. Diese müsse heute nachdenklich stimmen „angesichts dessen, was wir in einigen Teilen dieser Welt erleben müssen“. Gerber weiter: „Wir dürfen beim Gedenken und in der Erinnerung der dunklen Seite unserer Geschichte nicht ausweichen, sondern müssen uns dieser Realität stellen.“ Die Auseinandersetzung mit der Geschichte sei schmerzhaft, zugleich aber Voraussetzung für die Gestaltung der Zukunft.

Die Forderung „Nie wieder“ ist für Bischof Gerber heute – „angesichts des Gebarens diverser Potentaten, angesichts relativierender Äußerungen über das NS-Grauen auch hierzulande“ – wichtiger denn je. „Als Christinnen und Christen hören wir die Schreie derer, die heute im Osten Europas und in anderen Gegenden der Welt Furchtbares erleiden.“ Mit Blick auf die Erinnerungskultur sagte Gerber, dass man 80 Jahre nach der Befreiung des KZ Dachau an einem „sehr kritischen Punkt“ stehe, wenn es demnächst keine NS-Zeitzeugen mehr gebe.

Der Generalvikar des Münchner Erzbistums, Christoph Klingan, bezeichnete den Gottesdienst in der Todesangst-Christi-Kapelle auf dem Gelände der KZ-Gedenkstätte Dachau als „ein starkes Zeichen für das Geschenk der deutsch-polnischen Freundschaft“. „Wer hätte geglaubt, dass Deutschland und Polen gemeinsam den europäischen Weg gehen würden – hin zu Verständigung, Einheit, Frieden?“ Ein entscheidender Baustein auf diesem Weg sei „die Erinnerungskultur, wie wir sie auch heute pflegen“, sagte Klingan.

Der Direktor der Stiftung Bayerische Gedenkstätten, Karl Freller, sagte in seinem Grußwort, dass zeitweise mehr als 2.700 Priester und Ordensleute aus verschiedenen Ländern in Dachau inhaftiert gewesen seien. Die Geschichten all dieser Menschen seien Zeugnisse des Glaubens und des Mutes. Die Leiterin der KZ-Gedenkstätte Dachau, Gabriele Hammermann, sagte zu den Gästen bei der Gedenkveranstaltung: „Sie unterstreichen mit Ihrem Besuch ausdrücklich die Idee eines friedlichen Zusammenlebens.“ Dies entspreche dem Vermächtnis der Überlebenden, die dafür plädiert hätten, stets für die unbedingte Würde des Menschen und den Geist der Solidarität einzutreten.

Veranstaltet wurde das Gedenken vom Erzbistum München und Freising, der Deutschen Bischofskonferenz und der Polnischen Bischofskonferenz. Am 4. Mai findet der zentrale Gedenkakt mit einem ökumenischen Gottesdienst mit Erzbischof Reinhard Marx und Landesbischof Christian Kopp statt.

Die Haft- und Terrorstätte in Dachau war eines der ersten Konzentrationslager und bestand über die gesamte Zeit der NS-Herrschaft. Mehr als 200.000 Gefangene aus über 40 Nationen waren im KZ Dachau und seinen Außenlagern inhaftiert, mindestens 41.500 Menschen starben dort. Am 29. April 1945 wurde das KZ Dachau von der US-Armee befreit. Im Mai 1965 eröffnete die KZ-Gedenkstätte Dachau. Heute wird der Ort jährlich von rund einer Million Menschen aus aller Welt besucht, darunter viele Schulklassen. (1414/26.04.2025)