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Politologin: Solidarität mit Israel schließt Kritik nicht aus

Trotz größtmöglicher Solidarität mit Israel muss in Deutschland aus Sicht der Politologin Nicole Deitelhoff auch Kritik an der israelischen Politik möglich sein. “Es sollte kein Verbot geben, sich als Deutsche darüber Gedanken zu machen, wie wir zu Israel und israelischer Politik stehen”, sagte die Leiterin des Leibnitz-Instituts für Friedens- und Konfliktforschung in Frankfurt dem “Spiegel”. Das sei nötig, damit die Gesellschaft eine Haltung zum Konflikt entwickeln könne.

Vor diesem Hintergrund verteidigte die Politologin auch den slowenischen Autor Slavoj Zizek gegen Antisemitismus-Vorwürfe. Zizek hatte am Dienstag bei der Eröffnung der Frankfurter Buchmesse gefordert, die Lage der Palästinenser im Konflikt nicht zu vergessen, und Israel zur Mäßigung aufgerufen. Dafür war er kritisiert worden. Zizeks Ausdrucksweise sei zwar “nicht besonders gut” gewesen, so Deitelhoff. “Aber die Rede und auch die Reaktionen darauf zeigen noch einmal sehr deutlich auf, wie schwierig es ist, diese beiden Ebenen zu trennen.”

Es schließe sich nicht aus, Israels Siedlungspolitik zu kritisieren und dennoch den Angriff der Hamas zu verurteilen, fügte sie hinzu. Das Existenzrecht Israels in Frage zu stellen oder den Staat mit dem Dritten Reich zu vergleichen, könne jedoch nicht geduldet werden.

Gleichzeitig warnte die Politologin vor einer Umdeutung des Antisemitismus als eine Form der Auseinandersetzung mit dem Kolonialismus. Dies lasse sich als “klar erkennbare Entwicklung auf der linken Seite ausmachen”, erklärte Deitelhoff. “Verheerend ist, dass die Kritik an Israel in manchen Kreisen zum guten Ton gehört”, kritisierte die Wissenschaftlerin. “Aber es geht zu weit, auch Israel selbst als Kolonialmacht oder gar als Apartheidstaat zu bezeichnen. Das ist historisch falsch und bringt die Kategorien durcheinander mit dem Ziel, Israel zu delegitimieren und das Existenzrecht abzusprechen.”