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Politik-Professor: Grenze zwischen Sachlichkeit und Unfug ziehen

Der Politikwissenschaftler Oliver Lembcke hat eine sachliche Debattenkultur im Bundestag angemahnt. „Der Ton ist rauer geworden, er ist beleidigender geworden, rüpelhafter geradezu“, sagte der Professor von der Ruhr Universität Bochum am Dienstag dem Radiosender WDR 5. Zu pöbeln und den Gegner herunterzumachen, gehöre mittlerweile zum Repertoire. Mit Blick auf den am Dienstag erstmals zusammengekommenen neuen Bundestag sprach Lembcke sich für mehr Sachlichkeit aus. Streit und verbale Angriffe seien in der politischen Debatte wichtig, aber nur sinnvoll, wenn eine „Grenze zwischen Sachlichkeit und Unfug“ gezogen werde.

Das raue Diskussionsklima ist nach Lembckes Ansicht „maßgeblich auch auf die AfD zurückzuführen“, die diesen Ton eingeführt habe. Die Zahl der Ordnungsrufe im Parlament ist seit dem Einzug der Partei 2017 stark angestiegen. Aber auch die Debattenkultur in den sozialen Medien sehe er als Faktor für den raueren Ton im Bundestag, sagte der Politologe. Er betonte, die AfD verfolge eine Strategie der Delegitimierung des Parlaments und der anderen Parteien. Solange sie das tue, werde das Debattenklima so bleiben. Wenn die Partei Ämter im Bundestag übernehmen wolle, etwa im Vorsitz von Ausschüssen, müsse sie sich zunächst als vertrauenswürdig erweisen.

Grundsätzlich halte er eine klare Sprache und Verständlichkeit in politischen Auseinandersetzungen für wichtig. „Dass man sich nicht hinter der Technik eines Arguments verschanzt und auch nicht irgendwie Notwendigkeiten immer wieder ins Felde führt, sondern dass man wirklich offen spricht und offen auch für eigene Programme wirbt“, betonte der Politikwissenschaftler. „Ich glaube, da ist noch deutlich zuzulegen bei vielen Abgeordneten.“ Der gestiegene Anteil der Berufspolitiker im Bundestag habe zu einer Art Verrechtlichung der Sprache beigetragen, sagte Lembcke. Doch Authentizität sei wichtig, um Akzente zu setzen und Menschen zu erreichen.