Der Münchner Physiker Ulrich Walter hält die in der breiten Öffentlichkeit eher belächelten bayerischen Raumfahrtpläne für wichtig für den Wirtschaftsstandort Bayern. Als Beispiele nannte der Lehrstuhlinhaber für Raumfahrttechnik an der Technischen Universität München (TUM) und frühere Wissenschaftsastronaut im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd) die Produktion von Satelliten. In der Öffentlichkeit werde leider zu wenig wahrgenommen, was für ein riesiger Markt sich hinter Satelliten verberge, bedauerte Walter.
Rund 70 Prozent seien Satelliten aus den USA – von Behörden, Militär und Privatunternehmen, erläuterte Walter. Danach folgen Großbritannien, China und Russland. Warum sollte man diesen Markt einfach anderen überlassen, fragte Walter. „Derzeit umkreisen uns Tausende Satelliten, die für ganz spezielle Fragestellungen und Themen Daten liefern.“ Es würden jeden Tag mehr. Ohne sie wäre der Alltag, „wie wir ihn kennen – mit Smartphones, E-Mails und Navis“ -, nicht möglich. Im übrigen auch keine vernünftige Klima-, Umwelt- oder Sicherheitspolitik, betonte Walter.
Nur mithilfe von Satelliten könne man genau berechnen, wo und wie schnell Gletscher oder Eisberge in der Antarktis schmelzen oder um wie viele Millimeter der Meeresspiegel steigt. „Das kann man nun mal nicht mit dem Zollstock nachmessen“, erläuterte Walter. Er plädiert daher dafür, dass Europa und auch Bayern mehr mitmischen: So könnte Bayern selbst vermehrt Satelliten bauen, etwa um Schäden in den Wäldern zu lokalisieren. Das ebenfalls waldreiche Schweden habe schon Interesse bekundet, einen solchen Satelliten mitzunutzen.
Die Produktion von Satelliten ist laut Walter hochkomplex und erfordert viel Know-how, das Bayern seiner Überzeugung nach bieten kann: „Satelliten sind Einzelstücke, sie werden nicht am Fließband produziert. Und wenn ein Satellit im Orbit mal einen Defekt hat, dann kann man ihn nicht einfach in eine Werkstatt bringen.“ Satelliten müssten daher eine extrem hohe Qualität haben, das mache sie auch so teuer. Und sie müssten im Schnitt 15 Jahre halten. Bei der Größe und Schwere variieren die Satelliten stark: Manche wiegen mehrere Tonnen, andere nur wenige Kilogramm.
Die Fachwelt begrüße die bayerischen Raumfahrtpläne, betonte Walter. Es gehe hier ausdrücklich nicht um bemannte Raumfahrt oder Flüge zum Mond, sondern um unbemannte Satelliten, die gut 90 Prozent der Raumfahrt ausmachten. Seit Bekanntwerden der Pläne 2018 hätten sich Investoren aus aller Welt gemeldet, die in Bayern junge Unternehmen unterstützen wollten. „Also es geht hier nicht um irgendwelche abgehobenen Raumfahrtpläne, sondern um den Wirtschaftsstandort Bayern und damit letztlich um unseren Wohlstand“, betonte Walter. (01/0423/06.02.2024)