Thomas Metzinger (66), religionskritischer Philosoph, bricht eine Lanze für Meditation. Alle Menschen, vor allem Schulkinder, sollten mehrere Meditationstechniken erlernen, sagte Metzinger der Süddeutschen Zeitung. Meditation sei eine “erfahrungsbasierte Form von Erkenntnis, die die wissenschaftliche Forschung ergänzen und bereichern kann. In einer fortgeschrittenen Praxis wird man feststellen, dass Bewusstsein in Abwesenheit von Gedanken und Sinneseindrücken existieren kann, ohne Wahrnehmung von Zeit, Ort und sogar ohne Ich-Gefühl.”
Metzinger: Neue Form von Spiritualität entwickeln
Metzinger sagte, Ziel sollte sein, “unsere geistige Autonomie zu erhöhen und das Leid der Menschen zu minimieren, das Leid der Tiere und in Zukunft vielleicht auch das der Maschinen”. Dafür müsse eine neue, rationale Form von Spiritualität entwickelt werden. Richtig verstandene Spiritualität sei aber “das genaue Gegenteil von Religion”, fügte der Philosoph hinzu. Sie benötige keine transzendenten Annahmen. Dabei gehe es um innere Aufmerksamkeit, Körpererfahrung und die systematische Kultivierung veränderter Bewusstseinszustände.
Der frühere Lehrstuhlinhaber für Theoretische Philosophie an der Uni Mainz sagte, Religion basiere “auf nützlichen, wiewohl falschen Überzeugungen”. Über Gott sollte man heute “am besten gar nicht” sprechen, solange es keine kohärente Definition dieses Begriffes gebe. Die systematische Theologie bilde sich nur ein, einen Gegenstand zu haben. “Eine Methode hat sie auch nicht.” Organisierte Religion betreibe “vorsätzlichen Selbstbetrug”.
Menschliches Bewusstsein ist phänomenal
Metzinger empfahl zugleich: “Wir sollten uns das Staunen über das Unerklärliche bewahren und die religiösen Gefühle anderer Menschen nicht ohne guten Grund verletzen.” Menschen seien “physikalisch ganz unwahrscheinliche Ereignisse”. Sie gehörten “einem Universum an, das in uns ein Phänomen wie das Bewusstsein hervorgebracht hat. Das ist zauberhafter als alle Marienerscheinungen der katholischen Kirche”.