Filmszenen laufen parallel auf Großleinwänden und Monitoren, neben ihnen hängen große Filmplakate, drumherum steht Filmequipment aus der jeweiligen Zeit – alles umgeben von Maschinen der Gebläsehalle des früheren Industriewerks Völklinger Hütte. Seit Sonntag laden das Weltkulturerbe und die Deutsche Kinemathek zu der Gesamtschau „Der deutsche Film. 1895 bis heute“ ein. Die multimediale Schau beginnt beim „Wintergartenprogramm“ der Gebrüder Skladanowsky am 1. November 1895 in Berlin und endet mit aktuellen Filmproduktionen wie etwa „Systemsprenger“ (2019), dem Oscar-Preisträger „Im Westen nichts Neues“ (2022) oder „Das Lehrerzimmer“ (2023).
„Film ist nie national“, sagt der künstlerische Direktor der Berliner Kinemathek, Rainer Rother. „Film ist von Anfang an eine internationale Begegnung.“ Bestes Beispiel: der kurz vor dem Ersten Weltkrieg gestartete Film „Engelein“ mit der Schauspielerin Asta Niesen in der Hauptrolle. Er sei unter anderem in Mexiko City, Moskau oder Barcelona gelaufen, erläutert Rother. Die Universum-Film AG (UFA) habe wiederum unterschiedliche Versionen von Filmen hergestellt, anstelle von heutiger Untertitelung und Synchronisation: So seien die Filmsets gleich geblieben, aber unterschiedliche Schauspielerinnen und Schauspieler hätten die Handlung auf Deutsch, Englisch und Französisch gespielt.
Die bis zum 18. August 2024 laufende Ausstellung ist in insgesamt zehn größtenteils chronologische Kapitel unterteilt und soll die deutsche Kulturgeschichte erzählen. Von den Anfängen des deutschen Films geht es über die Weimarer Republik und die Zeit des Nationalsozialismus zu Filmen der DDR und der BRD sowie dem gesamtdeutschen Filmschaffen seit 1990. Ein eigenes Kapitel gilt dem Science-Fiction-Stummfilm „Metropolis“ (1927) von Fritz Lang.
Insgesamt über neun Stunden Filmmaterial und mehr als 350 Exponate – darunter auch Manuskripte und Kostüme – können die Besucherinnen und Besucher entdecken. Fester Begleiter ist dafür wie bei der Ausstellung „The World of Music Video“ ein Mediaguide. Dieser bietet auf Deutsch, Englisch und Französisch Informationstexte zu allen Filmen, erläutert deren Bedeutung und bildet auch zeitgenössische Kritiken ab. Die Filme selbst sind Englisch untertitelt – extra für die Ausstellung. Auch wurden einzelne Kostüme speziell für die Schau nachgebildet – sie stehen frei, während sich die Originale in Vitrinen finden.
In der Ausstellung lassen sich sowohl bekannte als auch eher unbekannte Filme finden. Der Generaldirektor der Völklinger Hütte, Ralf Beil, betont, dass der erste queere Film bereits 1919 mit „Anders als die Andern“ gelaufen sei. In dem Film geht es um einen schwulen Mann, der unter den Repressionen des Antischwulen-Paragrafen leidet.
Die Filmausschnitte sind über rund 100 Projektionen auf Großleinwänden zu sehen, hinzu kommen 30 Monitore, die sich etwa vertiefend mit den Auswirkungen deutscher Produktionen auf internationale Filme auseinandersetzen. Dazu zählt etwa der Einfluss von „Das Cabinet des Dr. Caligari“ (1920) auf Tim Burtons „Edward mit den Scherenhänden“ (1990) sowie die Nachwirkung von Lotte Reinigers frühem Animationsfilm „Die Abenteuer des Prinzen Achmed“ (1926) auf David Yates’ „Tale of the Three Brothers“ in „Harry Potter und die Heiligtümer des Todes“ von 2010. Der NS-Durchhaltefilm „Die Große Liebe“ (1942) ist wiederum in einem bunkerartigen Tiefgeschoss zu sehen.
Den Abschluss der Schau bilden ein nachgebautes Filmstudio der 1950er Jahre sowie ein Kinosaal. In dem Studio wird Géza von Radványis Remake des Leontine Sagan-Films „Mädchen in Uniform“ von 1931 aus dem Jahr 1958 mit Romy Schneider und Lilli Palmer in den Hauptrollen „gedreht“. Der Nachbau des Klassenzimmers fokussiert genau auf die Kussszene von Schülerin und Lehrerin – mit Kameras und Scheinwerfern der damaligen Zeit.
Zum abschließenden Kinosaal müssen die Besucherinnen und Besucher eine Originalkinokasse aus dem Völklingen der 1950er Jahre passieren. Im Saal läuft dann ein Zusammenschnitt des deutschen Films im Schnelldurchlauf von viereinhalb Minuten. Für die kommenden Monate planen die Ausstellungsmacher spezielle Filmvorführungen sowie Kooperationen mit Kinos im und außerhalb des Saarlandes sowie dem Filmfestival Max Ophüls Preis.