Zum vierten Mal in seiner fast zwölfjährigen Amtszeit veröffentlicht Franziskus eine Enzyklika. Anders als in den beiden letzten Lehrschreiben des Papstes geht es diesmal um die tiefsten Quellen seines Glaubens.
Unter dem Titel “Er hat uns geliebt” (“Dilexit nos”) hat Papst Franziskus am Donnerstag sein viertes päpstliches Lehrschreiben veröffentlicht. In dem Text der Enzyklika, die in Kirchenkreisen als “geistliches Testament” des 87-Jährigen bezeichnet wird, erklärt der Papst, aus welchen Quellen er seinen Glauben und sein Engagement für eine solidarische Welt schöpft.
Wörtlich schreibt der Papst: “Wenn wir aus dieser Liebe schöpfen, werden wir fähig, geschwisterliche Bande zu knüpfen, die Würde jedes Menschen anzuerkennen und zusammen für die Umwelt Sorge zu tragen.” Sehr kritisch setzt sich Franziskus mit der gegenwärtigen geistigen Verfassung der Welt auseinander und ruft die Kirche dazu auf, die Liebe wieder als den eigentlichen Kern der christlichen Botschaft zu verkünden und zu leben.
Dazu heißt es am Ende der Enzyklika: “Wir werden getrieben, nur anzuhäufen, zu konsumieren und uns abzulenken, gefangen in einem entwürdigenden System, das uns nicht erlaubt, über unsere unmittelbaren und armseligen Bedürfnisse hinauszusehen. Die Liebe Christi steht außerhalb dieses abartigen Räderwerks, und er allein kann uns von diesem Fieber befreien (…). Er ist in der Lage, dieser Erde ein Herz zu verleihen und die Liebe neu zu beleben, wo wir meinen, die Fähigkeit zu lieben sei für immer tot.”
Die Kirche mahnt der Papst in der Enzyklika, sich nicht in Ritualen und nebensächlichen Debatten zu verlieren, sondern sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Er schreibt: “Das christliche Lebensmodell ist attraktiv, wenn es ganzheitlich gelebt und zum Ausdruck gebracht werden kann: nicht als bloße Zuflucht in religiöse Empfindungen oder in prunkvolle Rituale. Was wäre das für ein Dienst an Christus, wenn wir uns mit einer individuellen Beziehung begnügen würden, ohne Interesse daran, den anderen zu helfen, so dass sie weniger leiden und besser leben?”
Der Papst erklärt weiter, Menschen, die die Liebe Christi erfahren hätten, könnten nicht anders, als “diese Liebe weiterzugeben, die ihr Leben verändert hat”. Sie wollten nicht “Zeit mit Diskussionen über zweitrangige Themen verlieren oder damit, Wahrheiten und Regeln aufzuerlegen, denn ihr Hauptanliegen ist es, das weiterzugeben, was sie erleben”.
In dem streckenweise sehr persönlich geschriebenen Text schreibt der Papst auch über eigene Erfahrungen aus seiner Kindheit. Zugleich erinnert er ausführlich an das reiche religiöse Erbe der sogenannten Herz-Jesu-Frömmigkeit, die vom 18. bis ins 20. Jahrhundert von Frankreich ausgehend weite Teile der katholischen Kirche prägte. Diese Frömmigkeit betont die unmittelbare Erfahrung der Liebe Jesu als Quelle des Glaubens und der tätigen Nächstenliebe.