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Ottos Mops kotzt

In der Mitte des 20. Jahrhunderts hat er die Lyrik revolutioniert: Erich Jandls Laut- und Sprechgedichte verbinden Poesie und Performance, Avantgarde und Populärkultur, sie schwanken zwischen der Liebe zur Sprache und ihrer Zertrümmerung, zwischen anarchischem Witz und existenziellem Ernst. Seine Gedichte heißen „schtzngrmm“ oder „falamaleikum“. Wie kein anderer konnte der Wiener Dichter seine virtuosen Spiele mit Lauten und Sprache selbst vortragen, sie wurden auch auf Schallplatten veröffentlicht.

2025 ist ein Ernst-Jandl-Jahr: Vor 100 Jahren, am 1. August 1925, kam er in Wien zur Welt. Vor 25 Jahren, am 9. Juni 2000, starb er. Zu seinen populärsten Versen zählt heute das Gedicht „ottos mops“, in dem Jandl es schafft, keinen anderen Vokal als o zu verwenden – vom Anfang „ottos mops trotzt/otto: fort mops fort“ bis zum Ende: „ottos mops kommt/ottos mops kotzt/otto: ogottogott.“ Auch in „lichtung“ brilliert er mit Sprachwitz: „manche meinen/ lechts und rinks/ kann man nicht velwechsern/werch ein illtum“.

In den 1950er Jahren empfanden viele Jandls experimentelle Lyrik als kulturelle Provokation. Es dauerte lange, bis er einen Verlag für seine Werke fand. Die Publikation der ersten „sprechgedichte“ sorgte 1957 dafür, dass Jandl für die nächsten Jahre von allen Produktionsmöglichkeiten in Österreich ausgeschlossen wurde. 1966 erschien sein Band „Laut und Luise“ im Walter Verlag und führte dort zur Schließung der literarischen Abteilung des Verlags.

Erst ab Mitte der 1960er Jahre stellten sich erste schriftstellerische Erfolge ein. Die Anerkennung als einer der bedeutendsten Lyriker seiner Zeit und zahlreiche Ehrungen in seiner Heimat Österreich und dem gesamten deutschen Sprachraum folgten aber erst spät in seiner Karriere.

Jandl trat mit Jazzmusikern auf und arbeitete produktiv und erfolgreich mit der Schriftstellerin Friederike Mayröcker zusammen, mit der ihn seit Mitte der 50er Jahre eine innige Freundschaft und Lebenspartnerschaft verband. Bis zu Jandls Tod lebten die beiden in verschiedenen Wohnungen im gleichen Haus zusammen.

Gemeinsam schrieben sie zahlreiche Hörspiele. 1968 erhielten sie für „Fünf Mann Menschen“ den Hörspielpreis der Kriegsblinden. Das Stück, das heute als Klassiker gilt, sorgte für erhebliches Aufsehen, mit ihm begann die Ära des sogenannten Neuen Hörspiels.

Aufgewachsen ist Ernst Jandl als Sohn einer Lehrerin und eines Bankangestellten in Wien, seine Mutter starb, als er 14 war. Nach dem Abitur musste er ab 1943 seinen Militärdienst an der Front ableisten, geriet in US-amerikanische Kriegsgefangenschaft. Zurück in Wien studierte er Germanistik und Anglistik. Er promovierte über Arthur Schnitzler und legte 1949 seine Lehramtsprüfung ab.

Immer wieder ließ er sich vom Schuldienst freistellen, insgesamt mehrere Jahre lang, unter anderem für einen längeren Aufenthalt in England und eine Vortragsreise durch die USA, gemeinsam mit Mayröcker. Danach unternahm Ernst Jandl einen letzten Versuch, wieder in seinem Beruf als Lehrer zu arbeiten. Aber der Versuch schlug fehl. 1979 wurde er pensioniert. Und ging fortan hauptberuflich dem Schreiben nach.

Sein Werk wurde schließlich, nach anfänglicher Nichtanerkennung und Unverständnis gegenüber der Qualität seiner Texte, mit vielen renommierten Preisen ausgezeichnet.1980 erhielt er für sein Theaterstück „Aus der Fremde“ den Mühlheimer Dramatikerpreis, 1984 den Großen Österreichischen Staatspreis und im selben Jahr auch den Georg-Büchner-Preis der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung. Vier Jahre vor seinem Tod wurde er 1996 mit dem Goldenen Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich ausgezeichnet. In der Wiener Literatur- und Theaterwelt ist Jandl noch immer präsent, im Jubiläumsjahr wird er mit einer Reihe von Veranstaltungen gewürdigt.

Nicht nur um sein Land, auch um die deutsche Sprache hat sich der Autor verdient gemacht und der experimentellen Lyrik zum Durchbruch verholfen. Als Ziel seiner Arbeit formulierte Jandl einmal: Gedichte zu schreiben, die funktionieren, lebendig und wirksam sind. Und „Gedichte, die nicht kalt lassen“ sollten es werden. Gemeinsam mit Friederike Mayröcker ist Ernst Jandl auf dem Wiener Zentralfriedhof beerdigt.