Ungarns Regierungschef Viktor Orban eckt mit seiner Politik in Europa immer wieder an. Doch vor dem EM-Spiel der Ungarn gegen Deutschland vermeidet er politische Streitthemen – und äußert sich eher augenzwinkernd.
Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban hat das verlorene Finale der Fußball-Weltmeisterschaft von 1954 als “noch nicht verheilte Wunde” bezeichnet. “So kann das nicht bleiben”, sagte Orban mit einem Augenzwinkern am Mittwoch in Stuttgart – kurz vor dem Anpfiff des EM-Vorrunden-Spiels Deutschland gegen Ungarn. Orban sprach bei einem Empfang durch Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) und Oberbürgermeister Frank Nopper (CDU) im Neuen Schloss in Stuttgart. Politisch äußerte sich Orban, der als Quertreiber in verschiedenen Politikbereichen der EU gilt, bei dem Empfang nicht.
Das EM-Spiel weckt Erinnerungen an das “Wunder von Bern”. Im Finale der Fußballweltmeisterschaft 1954 gelang der deutschen Mannschaft um Kapitän Fritz Walter ein sensationeller 3:2-Sieg gegen die damals als unbesiegbar geltenden Ungarn. Der Titelgewinn im Berner Wankdorf-Stadion löste in Deutschland damals einen beispiellosen Freudentaumel aus. Zugleich trug der WM-Sieg dazu bei, dass neun Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs das Selbstwertgefühl der Deutschen wieder wuchs.
Kretschmann sagte, das Endspiel von 1954 gelte im kollektiven Gedächtnis als “zweite Geburtsstunde der Bundesrepublik Deutschland”. Mit Blick auf den Fußball sagte Kretschmann, jedes Spiel sei offen. “Und Offenheit trägt unser Land.” Kretschmann verwies auch auf die geschichtliche Rolle Ungarns, das am 10. September 1989 die Grenze für DDR-Flüchtlinge geöffnete hatte. “Es war der Türöffner für ein Leben in Freiheit”, sagte Kretschmann. Nur zwei Monate später fiel die Berliner Mauer.
Oberbürgermeister Nopper, der den Gast auf Ungarisch begrüßte, sagte, Ungarns Grenzöffnung von 1989 habe eine “Verbindung zur freien Welt” geschaffen. Er wünsche sich, dass die Europameisterschaft “ein großes und faires Fußballfest im Geiste der Völkerfreundschaft” werde. Der Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), Bernd Neuendorf, sagte, das Turnier zeige schon jetzt “die einzigartige Faszination und die ganze Wucht und Kraft, die Fußball haben kann”.