Junge Filmschaffende brauchen nach den Worten der Gesamtprogrammleiterin des Filmfestivals Max Ophüls Preis, Theresa Winkler, mehr Förderung und Geld. „Da muss dann in der Förderung der Mut da sein, auch mal etwas zu produzieren, was vielleicht nicht den konventionellen Sehgewohnheiten entspricht“, sagte sie dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Saarbrücken. Die bis Sonntag laufende 45. Festivalausgabe entspreche wieder mehr der Vor-Corona-Zeit. Zudem warb Winkler für Filmbildung als Mittel, um unter anderem Dialog und Demokratie zu lernen.
epd: Welche Stimmung nehmen Sie unter den Filmschaffenden beim Festival in diesem Jahr wahr?
Theresa Winkler: Ich habe das Gefühl, dass eine ziemlich große Euphorie da ist. Wenn die Menschen zur Tür reinkommen, sieht man sofort, ob es ein Filmteam oder ein Gast ist, der einfach ins Kino geht. Die Filmteams haben so ein Leuchten im Gesicht. Das ist schön zu sehen. Das ganze Thema Bahnstreik hat uns einen logistischen Mehraufwand gebracht, aber irgendwie dadurch die Freude des Daseins noch einmal verstärkt. Es sind sehr viele anwesend. Wir haben bei manchen Filmpremieren 30, 40 Leute vom jeweiligen Team dabei. Im vergangenen Jahr war es die erste Ausgabe nach Corona und jetzt habe ich das Gefühl, dass das Festival wieder so ist wie davor.
epd: Wie geht es den jungen Filmschaffenden, was benötigen sie für ihre Arbeit?
Winkler: Sie brauchen vor allem Förderungen und Geld. Das merken wir stark. Wir hatten mehr Einreichungen bei Kurzfilmen sowie mittelangen Filmen und auch ein bisschen mehr bei den langen Projekten. Aber darunter waren ganz viele freie Produktionen. Wir reden da von Low-Budget-Produktionen und weniger von groß geförderten Projekten. Letztere wären wünschenswerter, weil Filmteams dann Bedingungen vorfinden, unter denen sie normal arbeiten können.
Es braucht auch bei der Förderung mehr Mut, Geschichten erzählen zu dürfen. Wir erleben es hier beim Festival: Wir haben eine breite Vielfalt an unterschiedlichen Geschichten mit mutigen Zugängen. Darunter sind improvisierte Projekte, welche, die wie ein Theaterstück inszeniert sind oder mutige schwarz-weiß Arbeiten. Da muss dann in der Förderung der Mut da sein, auch mal etwas zu produzieren, was vielleicht nicht den konventionellen Sehgewohnheiten entspricht.
epd: In diesem Jahr sind keine Filme aus Österreich im Spielfilm-Wettbewerb – woran liegt das?
Winkler: Dass wir mit Blick auf Österreich sehr wenige Einreichungen für den Wettbewerb hatten, das ist bedauerlich. In Österreich ist es aber so, dass es einen großen Fördertopf gibt, keinen dezidierten Nachwuchstopf. Das ist sicher ein Grund. Auch hängen, wie wir wissen, sehr viele Filme in der Warteschlange. Das heißt, sie sind gerade in der Produktion und kommen dann im nächsten Jahr.
epd: Sie haben auch bei der Festival-Eröffnung die Bedeutung von Filmbildung betont. Was kann diese leisten?
Winkler: Bevor ich zum Filmfestival Max Ophüls Preis kam, habe ich in Österreich in der Filmvermittlung gearbeitet. Ich bin zu Grundschulen in die kleinen Dörfer gefahren und habe Filme gezeigt, über die ich einen Tag später mit den Kindern gesprochen habe. Die Generation, die jetzt gerade im Kindergartenalter ist, wächst mit Social Media und allen anderen Medien auf. Die haben das eigentlich im Blut, aber trotzdem fehlt ihnen die Sehgewohnheit. Eine Serie wie zum Beispiel „Paw Patrol“ ist ganz anders geschnitten und anders erzählt als ein 90-minütiger Film. Man muss lernen, wie man einen solchen Film schaut.
epd: Wie lernt man das?
Winkler: Es ist wichtig, dass man die Kinder auf Augenhöhe abholt und sie ernst nimmt. Wenn wir möchten, dass das Kino weiter lebt und dass wir Publikum bekommen, dann müssen wir die Kinder abholen. Bei den Schulvorstellungen zeigen wir vormittags Spielfilme, Dokumentarfilme, aber auch kurze und mittellange Programme. Diese Mischung ist wichtig. Denn dass es überhaupt Kurzfilme gibt, wissen die meisten Kinder und Jugendlichen nicht. Und so können wir zeigen, was Film sein kann.
Uns ist es sehr wichtig, über Filme miteinander zu reden, in den Diskurs zu treten, einander zuzuhören und auch andere Meinungen zuzulassen. Diesen Dialog und Demokratie muss man lernen. Die Filmteams schweben immer einen Meter über dem Boden, wenn sie aus dem Schulkinoprogramm rauskommen. Kindern und Jugendlichen fallen ganz andere Dinge in Filmen auf als uns Erwachsenen. Dann entsteht eine andere philosophische Tiefe in den Gesprächen über die Filme.
epd: Wie funktioniert die Umsetzung in den Schulen?
Winkler: Die Lehrerinnen und Lehrer haben zurzeit krasse Probleme: Es gibt so wenig Personal und auf sie prasselt viel ein. Im November waren wir bei der „Kino macht Schule“-Tour in Saarbrücken dabei. Es gab Schulen, die Filme gebucht haben und die Lehrer*innen haben uns gesagt, dass sie den Film sehen, aber danach explizit kein Gespräch wollen. Aber genau da fängt der Mehrwert an. Wir sind auch im Netzwerk kulturelle Bildung aktiv und fragen die Lehrer*innen, was sie brauchen, damit sie eine solche Veranstaltung umsetzen können. Wir Kulturinstitutionen müssen einspringen und unterstützen, um es zu ermöglichen.