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Offenes Herz und wacher Blick

Am 27. Januar, dem Holocaust-Gedenktag, wird der jüdischen Opfer des NS-Regimes gedacht. Zu ihnen gehört Etty Hillesum. Sie wäre am 15. Januar 100 Jahre alt geworden.

Von Mechthild Falk(…) Etty Hillesum wurde am 15. Januar 1914 geboren und am 30. November 1943 in Auschwitz ermordet. Etty schreibt in ihrem Zimmer in Amsterdam. Sie schreibt – ähnlich wie Anne Frank – in einer Welt, die Tag für Tag bedrohlicher wird und in der den Juden immer mehr verboten wurde. In ihren Aufzeichnungen finden sich Sätze wie diese: „Ich radelte heute Morgen über den Stadionkade, genoß den weiten Himmel über dem Stadtrand und atmete die frische, nicht rationierte Luft. Und in der freien Natur überall Tafeln auf den Wegen, die für Juden gesperrt sind. Aber auch über dem einzigen Weg, der uns verblieben ist, wölbt sich der gesamte Himmel … Ich bin zu allem bereit, ich gehe an jeden Ort dieser Erde, wohin Gott mich schickt und ich bin bereit, in jeder Situation und bis in den Tod Zeugnis davon abzulegen, dass das Leben schön und sinnvoll ist und dass es nicht Gottes Schuld ist, dass das alles gekommen ist, sondern die unsre … Immer wieder erhole ich mich im Gebet. Und das werde ich wohl immer tun können, auch auf kleinstem Raum: beten … Man kann sich in ein Gebet zurückziehen wie in eine Klosterzelle und dann mit erneuerter Kraft und wiedergewonnener Ruhe weitergehen.“Beeindruckend, wie eine junge Frau in schwerer Zeit so voller Zuversicht schreiben konnte. Etty Hillesum war wie ein geknicktes Rohr, das nicht zerbrach, wie ein glimmender Docht, der nicht verlosch, bis dies gewaltsam an ihr geschah. (…)

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