Nach der scharfen Kritik der Israelitische Kultusgemeinde Nürnberg (IKG) am Menschenrechtspreis 2025 für die israelisch-palästinensische Initiative „Parents Circle – Families Forum“ (PCFF) hat die Stadt Nürnberg die Entscheidung der Jury verteidigt. An ihr werde festgehalten, heißt es in einer Stellungnahme am Dienstag. Sowohl die deutsche Botschaft als auch ein Nahost-Experte von der Stiftung Wissenschaft und Politik, Konrad-Adenauer-Stiftung und die Alliance for Middle East Peace hätten nach den Vorrecherchen des Menschenrechtsbüros die Organisation „ohne jede Bedenken für den Preis empfohlen“.
Für die neunköpfige internationale Jury, der der Nürnberger Oberbürgermeister Marcus König (CSU) vorsitzt, seien zwei Aspekte wichtig gewesen, absolute Gewaltlosigkeit und Opferzentriertheit, heißt es in der Reaktion. Dies sei bei PCFF der Fall. In all ihren Aktivitäten kämen immer beide Seiten zu Wort. „Es geht nicht um politische Positionierungen, sondern das gemeinsame Trauern und den Dialog“. Die Stadt und bedauert zugleich, „dass es in diesem Konflikt keine Zwischentöne und keine Differenzierung mehr gibt“.
Die jüdische Gemeinde hatte mitgeteilt, man sei über die Entscheidung „irritiert“. Bei PCFF handle es sich um eine „umstrittene israelische Kleinorganisation“, die Betroffene und Opfer von Terrorismus mit Personen gleichsetze, „die im Kampf genau gegen diesen Terrorismus ums Leben kamen“. Auch Angehörige von Terroristen seien bei PCFF-Aktivitäten betrauert worden, beklagt die Kultusgemeinde. Die „Gleichsetzung von unschuldigen Opfern des Terrors und Terroristen“ durch die PCFF basiere auf einer einseitigen Sicht des komplexen Nahost-Konflikts, „der die alleinige Schuld bei Israel verortet“.
Der Vorstand der Israelitischen Kultusgemeinde bezeichnete den Preis für PCFF als eine „weitere Episode antiisraelischer Reflexe“. Deren „perfide Strategie“ bestehe darin, jüdische Menschen – in diesem Fall die israelischen Mitglieder von PCFF – „als Alibis für die eigene diskriminierende Haltung vorzuschieben“. Der Wunsch nach Frieden im Nahen Osten dürfe nicht dazu führen, dass Nürnberg mit dem Menschenrechtspreis „Irrwege“ bestreite.
PCFF bringt seit 1995 israelische und palästinensische Familien zusammen, die durch den anhaltenden Nahost-Konflikt ein Familienmitglied verloren haben. Ein Team aus dem israelischen Ramat Efal und dem palästinensischen Beit Jala nahe Bethlehem verbindet trauernde Menschen aus beiden Lagern, hieß es bei der Verkündung des Preises. Auch in den aktuellen Kriegsereignissen setze die PCFF mit ihren gut 750 Mitgliedern weiter auf die Bereitschaft zum Dialog. Ziel sei es, trotz Trauer durch Empathie Feindseligkeit zu überwinden.
„Ihr Mut, den Schmerz des ‚Anderen‘ in diesem lang anhaltenden Konflikt anzuerkennen und anzunehmen, obwohl sie von ihren eigenen Gemeinschaften kritisiert und manchmal sogar bedroht werden, ist bemerkenswert“, hatte Jury-Mitglied Noa Karavan-Cohen festgestellt. „Sie streben nach Dialog und Versöhnung und nicht nach Rache, damit keine andere Familie auf beiden Seiten den Verlust und den Schmerz erleiden muss, den sie erlitten haben.“ Die Jury wollte mit der Auszeichnung „ein deutliches Signal der Verständigung setzen“, sagte König. Die PCFF-Familien setzen sich „für ein Ende des Blutvergießens ein und rufen zur Versöhnung auf“.
Der Internationale Nürnberger Menschenrechtspreis ist mit 25.000 Euro dotiert und wird seit 1995 alle zwei Jahre verliehen. Er wird an Einzelpersonen oder Gruppen vergeben, die sich vorbildlich und unter hohem persönlichem Risiko für die Wahrung der Menschenrechte einsetzen. Zuletzt hatte den Preis 2023 der kenianische Blogger und Aktivist Malcolm Bidali erhalten. (00/3661/19.11.2024)