Zum Abschluss eines Forschungsprojekts über NS-Raubkunst in den Beständen des Mainzer Landesmuseums ist am Dienstagabend ein Buch über die zurückliegende Arbeit vorgestellt worden. In den vergangenen Jahren sei die Herkunft von insgesamt 375 Kunstwerken untersucht worden, die zwischen 1933 und 1945 vom Mainzer Altertumsmuseum und der städtischen Gemäldegalerie erworben worden waren, sagte die Autorin Dorothee Glawe dem Evangelischen Pressedienst (epd). Drei dieser Werke hatten nachweislich jüdische Eigentümer, waren verfolgungsbedingt in den Besitz der beiden Vorgängerinstitutionen des Landesmuseums geraten und wurden inzwischen den rechtmäßigen Erben zurückgegeben. Weitere 24 Fälle bezeichnete die Museumskuratorin als „verdächtig“, ohne dass die Geschichte des Erwerbs restlos geklärt werden konnte.
Den Verdacht auf Raubkunst begründeten jüdische Nachnamen oder NS-Funktionäre in der Liste der Vor-Eigentümer. Auch von einem Darmstädter Kunsthändler, der bekanntermaßen den Besitz jüdischer NS-Opfer verkauft habe, seien Kunstwerke erworben worden. Da dessen Archiv verbrannte, habe die Geschichte dieser Kunstobjekte nicht geklärt werden können. Auch beim Großteil der restlichen untersuchten Neuerwerbungen während der NS-Zeit gebe es „signifikante Lücken“ in der Provenienz, allerdings keine konkreten Anhaltspunkte für Voreigentümer, die vom Regime enteignet oder verfolgt worden waren. Die Herkunftsgeschichte von 106 untersuchten Artefakten sei „eindeutig unbedenklich“.
Wie Glawe berichtete, waren auch andere Praktiken der Museumsleiter während der NS-Zeit höchst fragwürdig. So hätten die Mainzer Museen darauf Wert gelegt, vor allem Kunst aus der Region zu zeigen. Dies habe beispielsweise zur Folge gehabt, dass vier originale Rembrandt-Handzeichnungen gegen Porzellan aus der Höchster Manufaktur eingetauscht worden sei. Derartige Tauschgeschäfte seien damals durchaus üblich gewesen.
Zur Problematik der NS-Raubkunst hatte das Landesmuseum 2024 die Sonderausstellung „Herkunft (un)geklärt“ gezeigt, deren Vorbereitung auch dem jetzt veröffentlichten Buch zugrunde lag. „Provenienzforschung ist kein Blick in die Vergangenheit um ihrer selbst willen“, erklärte Innenminister Michael Ebling (SPD) bei der Vorstellung am Dienstagabend. „Wer wissen will, wem ein Kunstwerk einmal gehört hat, fragt nicht nur nach Herkunft, sondern auch nach Gerechtigkeit:“
Alle während der NS-Herrschaft erworbenen Kunstwerke mit unklarer Herkunftsgeschichte wurden laut Glawe in internationale Suchdatenbanken eingestellt. Somit bestehe zumindest die Möglichkeit, noch Erben einstiger Eigentümer aufzufinden.