Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) sieht in den jüngsten bundesweiten Kundgebungen gegen die AfD ein Zeichen für die Wehrhaftigkeit der Demokratie. Die Demonstrationen hätten gezeigt, dass die „demokratische Mitte unserer Gesellschaft“ die „übergroße Mehrheit“ stelle, sagte Wüst am Freitag in einer Gedenkstunde des Düsseldorfer Landtags zum Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau am 27. Januar 1945.
Gutes Zusammenleben sein unendlich wertvoll. „Wir müssen es fördern und schützen“, betonte Wüst und fügte hinzu: „Für unsere Werte einzustehen, kann jeder jeden Tag tun.“ Die Landesregierung arbeite daran, dass jeder Schüler die Gelegenheit erhalte, einmal ein ehemaliges KZ zu besuchen. Wer das als Jugendlicher gemacht habe, sehe die Welt danach „mit völlig anderen Augen“. Er erkenne, dass „NS-Unrecht, Deportation und KZ-Haft nur ein Ziel hatten: Menschen ihrer Würde zu berauben und sie dann zu töten.“
Landtagspräsident André Kuper (CDU) warnte, das Land dürfe nicht durch Antisemitismus und Extremismus vergiftet werden: „Allein über Deportationen nachzudenken, ist eine Schande und eine Ungeheuerlichkeit“, sagte Kuper. Gleiches gelte für die Angst, die wieder unter den Menschen unterschiedlichsten Glaubens umhergehe. Die Lehren aus der Geschichte seien ein Auftrag an alle, die in Frieden und Rechtsstaatlichkeit leben wollen. Der Gedenktag falle in eine Zeit, in der viele Bürger dafür auf die Straßen gingen.
Berichte über ein Treffen von AfD-Politikern mit Rechtsextremisten über geplante Massenausweisungen von Menschen mit Migrationshintergrund hatten jüngst bundesweit für Entsetzen gesorgt. Sechs Millionen Juden wurden zu Opfern, weil ihnen die Nazi-Diktatur das Recht auf Leben abgesprochen habe, sage der Landtagspräsident. Sie hätten „mit ihrem Glauben, ihrer Herkunft und Kultur, ihren politischem Ansehen nicht dem verblendeten Bild der NS-Verbrecher“ entsprochen.
„Aus dem Grundrauschen des Antisemitismus ist eine Flamme geworden“, warnte der Vorsitzende der Synagogengemeinde Köln, Michael Rado, der sich mit einem geschichtlichen Vergleich über die Bedrohung jüdischer Bürger bestürzt zeigte. In der NS-Zeit habe die Polizei die Juden gejagt und verfolgt. Heute schütze die Polizei die jüdischen Einrichtungen in vorbildlicher Weise.
Der Landtag gedachte erstmals auch den in der NS-Zeit getöteten Sinti und Roma. Dies sei ein „Schritt zur gesellschaftlichen Anerkennung“, unterstrich der 1. Vorsitzende des Landesverbandes Deutscher Sinti und Roma NRW, Roman Franz. Angesichts des zunehmenden Antisemitismus in NRW sei eine stärkere und nachhaltigere politische Zusammenarbeit gegen jede Form von Rassismus notwendig. Das sei Voraussetzung dafür, damit die Jugend „in einer stabilen und sicheren Demokratie“ aufwachsen könne.