Von Tilman Asmus Fischer
Dezember 1980: Auf Druck der Bundesrepublik, vor allem des ehemaligen EKD-Generalbevollmächtigten Hermann Kunst, wird der Greifswalder Theologiestudent Matthias Storck aus dem Zuchthaus Cottbus freigekauft. 14 Monate hat er dort eingesessen. Alles in allem ist die Aufnahme im Westen freundlich. Bei seinen neuen Kommilitonen an der Theologischen Fakultät in Münster findet Matthias Storck Aufgeschlossenheit für sein Schicksal. Dann jedoch neigen sich die 1980er Jahre dem Ende zu und „was vielleicht vorher schon unfreundlich war, wurde 1989 richtig unfreundlich“. Das muss Storck gerade im Umgang mit vielen seiner Amtsbrüder und -schwestern erfahren. Wenn er und seine Frau vom Alltag in der DDR erzählen, gibt es häufig nur zwei Arten der Reaktion. Die einen staunen: „Was, da gab’s doch Butter!“ Die anderen fragen: „Warum seid ihr dann nicht dort geblieben?“ „Denen reichten unsere Höllenschilderungen nicht“, so Storck.Es ist für den Theologen verletzend, erfahren zu müssen, dass nach Jahren der Teilung, nun, da man offen über das Vergangene sprechen darf, die Stimme der Opfer wenig Gehör findet. Als Anfang der 1990er Jahre der 2009 verstorbene, ehemalige Berliner Bischof Albrecht Schönherr zu einer Diskussionsveranstaltung nach Westfalen kommt, wo Storck inzwischen Pfarrer ist, nutzt dieser die Gelegenheit, auf Versäumnisse Schönherrs und seiner Kirchenleitung hinzuweisen. Storck fühlte sich damals von seiner Kirche im Stich gelassen, als ihn die Kritik am Wehrkundeunterricht ins Gefängnis brachte. Aus dem Saal heraus wird er abgewürgt: „Jetzt wollen wir mal über die schönen Dinge reden …“