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Nicht hängenlassen

Über den Predigttext am Sonntag Invokavit: Hebräer 4, 14-16

Predigttext
14 Weil wir denn einen großen Hohenpriester haben, Jesus, den Sohn Gottes, der die Himmel durchschritten hat, so lasst uns festhalten an dem Bekenntnis. 15 Denn wir haben nicht einen Hohenpriester, der nicht könnte mit leiden mit unserer Schwachheit, sondern der versucht worden ist in allem wie wir, doch ohne Sünde. 16 Darum lasst uns hinzutreten mit Zuversicht zu dem Thron der Gnade, damit wir Barmherzigkeit empfangen und Gnade finden zu der Zeit, wenn wir Hilfe nötig haben.

„Ich würde nie sagen, es geht mir rundherum gut, weil ich denke, dann kommt die Bratpfanne des Schicksals und zieht dir eins über den Hinterkopf“, so die TV-Moderatorin und Autorin Charlotte Roche kürzlich in einem Interview. Die 37-Jährige bezeichnet sich selbst zwar als Atheistin, aber bekennt dennoch: „Den Gedanken vom strafenden Gott, den kriege ich nicht aus mir raus.“
Im Grunde ist das die alte Frage, die schon Martin Luther dazu bewegte, die Kirche und die Welt zu verändern: „Wie bekomme ich einen gnädigen Gott?“ Und selbst Menschen, die sich nicht als gläubig bezeichnen, beschäftigen sich anscheinend dann und wann mit diesem Thema. Womöglich kommen viele Menschen irgendwann im Leben an den Punkt, an dem sie an das Sterben denken. Und an das, was sie erwartet, wenn sie auf der Bettkante des Lebens sitzen. Und auch ich frage mich manchmal, wie ich in die Ewigkeit treten werde.

Wie werde ich in die Ewigkeit treten?

Im Hebräerbrief findet der Verfasser tröstliche Bilder. Sie erschließen sich wegen ihrer alten Sprache vielleicht nicht sofort, aber beim genaueren Hinsehen sind sie ermutigend und aufbauend: „Darum lasst uns hinzutreten mit Zuversicht zu dem Thron der Gnade, damit wir Barmherzigkeit empfangen und Gnade finden zu der Zeit, wenn wir Hilfe nötig haben“, so heißt es in Hebräer 4,16.
Als Bedingung, damit ich Barmherzigkeit erlange, soll ich „mit Zuversicht hinzutreten zum Thron der Gnade“. Und dann wird mir geholfen. Eigentlich schön. Eigentlich einfach. Aber wie komme ich zu solch einem freien Mut? Den trägt ja eben nicht jeder schon per se in sich. Denn da ist ja noch die Furcht vor der „Bratpfanne des Schicksals“.
Es müsste einen geben, der ganz auf meiner Seite steht – und ganz auf der Seite Gottes. Einen, der tatsächlich vermittelt zwischen den Menschen und Gott. Und genau dafür findet der Hebräerbrief ein weiteres Bild, nämlich das Bild des Hohepriesters.

Der Hohepriester als Mittler vor Gott

Dessen Bedeutung zur Zeit des zweiten Tempels in Jerusalem war gewiss eine herausragende. Nur ihm war es erlaubt, einmal im Jahr, am großen Versöhnungstag Israels, in das Allerheiligste des Tempels zu treten. Nur er durfte für das Volk opfern und Sühne erwirken.
Um diesen Mittler mit seiner herausragenden Funktion gab es in der Geschichte Israels immer wieder Konflikte, Machtspiele und politische Verwicklungen. Und trotzdem verwendet der Hebräerbrief den Begriff des „Hohepriesters“, und er bezieht diesen auf Jesus und dessen Bedeutung für die Menschen: „Weil wir denn einen großen Hohenpriester haben, Jesus, den Sohn Gottes, der die Himmel durchschritten hat, so lasst uns festhalten an dem Bekenntnis. Denn wir haben nicht einen Hohenpriester, der nicht könnte mit leiden mit unserer Schwachheit, sondern der versucht worden ist in allem wie wir, doch ohne Sünde.“ (Hebräer 4,14-15)

Auf dem Thron sitzt kein kalter Despot

Jesus als Hohepriester ist größer als alle, die vor ihm waren. Aber er ist nicht unnahbar. Er hat „die Himmel durchschritten“, und er ist Gottes Sohn. Aber vor allem zeichnet ihn aus, dass er mit den Menschen leidet. Er erlebt selbst größte Nöte und Wunden und stirbt erbärmlich. Und damit tritt er ganz auf die Seite der Menschen und wird wie sie.
Und deshalb, so der Hebräerbrief, lasst uns „mit Zuversicht“ vor den Thron der Gnade treten. Denn auf diesem Thron sitzt kein kalter Despot. Da sitzt einer, der für die einsteht, die an ihn glauben. Sie werden Gnade finden und ihnen wird geholfen. Das ist das Evangelium. Dann kann das Schicksal mir dennoch „eins über den Hinterkopf“ geben. Aber es kann mich nicht trennen von der Liebe Gottes und seiner Gnade.