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“Neuer Impfstoff soll gegen alle krebserregenden HP-Viren wirken”

An einem neuen Impfstoff gegen krebserregende humane Papillomviren (HPV) arbeiten Wissenschaftler im Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg. Einige der fast 300 HPV-Typen können Tumore im Genital- und Analbereich, aber auch in Mund und Rachen verursachen. Professor Martin Müller erläutert im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd), was er sich von dem Impfstoff erhofft, und wie die Situation in Entwicklungsländern ist.

epd: Herr Müller, in Deutschland erkranken pro Jahr mehr als 7.000 Menschen an HPV-bedingten Tumoren. Sie und ihr Team arbeiten an einem neuen Impfstoff gegen die Viren. Was ist das Ziel?

Müller: Die bisher verfügbaren Impfstoffe wirken nur gegen einige der krebserregenden HP-Viren. Unser Impfstoff, der derzeit an 45 Personen getestet wird, soll gegen alle krebserregenden HP-Viren wirken. In einem zweiten Schritt wollen wir den Impfstoff darauf optimieren, dass er auch therapeutisch wirken kann. Das heißt, dass er auch bei akuten Virus-Infektionen hilft. Über die Tumorgefahr hinaus gibt es Menschen, die wegen der Viren jahrelang unter Feigwarzen leiden. Ihr Körper bekommt die Viren nicht in den Griff und Medikamente gibt es nicht.

Zudem gibt es seit den 70er und 80er Jahren immer mehr Rachentumore, die durch HP-Viren entstehen. Die Hypothese ist, dass durch veränderte Sexualpraktiken, also, dass die Menschen mehr Oralsex haben, mehr Viren in den Mund-Rachen-Raum gelangen. Auch vor solchen Tumoren sollen die Impfungen schützen.

Um noch eine gute Nachricht zu überbringen: Menschen, die durch HP-Viren verursachte Tumore im Mund-Rachen-Raum haben, haben bessere Heilungschancen als andere Krebspatienten. Der Körper erkennt schon, ob eine Zelle von Viren befallen ist, und hat dann auch seine Mechanismen.

epd: Wie sieht die Situation in Entwicklungsländern aus?

Müller: Dort gibt es große Probleme mit HPV. Der durch die Viren verursachte Gebärmutterhalskrebs ist weltweit die vierthäufigste Krebserkrankung bei Frauen. Die Mehrheit der Fälle wird in weniger entwickelten Ländern diagnostiziert, vor allem in Südostasien, Afrika und Lateinamerika.

Ein Hauptproblem ist, dass die bisher verfügbaren Impfstoffe temperaturempfindlich sind und daher durchgehend gekühlte Transporte brauchen. Daran scheitert es in manchen Entwicklungsländern schon. Wir wollen die Impfquote erhöhen, indem wir einen hitzestabilen Impfstoff entwickeln. Dafür werden wir einen wärmeliebenden Mikroorganismus einbauen.

epd: Wie weit ist die Entwicklung?

Müller: Wir stehen noch relativ am Anfang. Bislang sind unsere Forschungen durch öffentliche Gelder finanziert worden. Damit der Wirkstoff auf den Markt kommen kann, brauchen wir noch ein paar Jahre Forschung, einen industriellen Partner und einen zweistelligen Millionenbetrag. (2566/15.11.2024)