Was war das für ein Gefühl, nach dem Zweiten Weltkrieg in der Tschechoslowakei ein deutsches Kind zu sein? Mit solchen Fragen befasst sich eine neue Ausstellung in Neugablonz. Der Ort hat eine einzigartige Historie.
“Die vertriebenen Kinder” heißt die neue Sonderausstellung des Isergebirgs-Museums Neugablonz im Allgäu. Sie läuft vom 6. Februar bis 13. April und basiert auf dem gleichnamigen Buch von Marek Toman und Jan Blazek. Diese Graphic Novel bringt laut Ankündigung mit einer zeitgemäßen Darstellung die Geschichte der Vertreibung Sudetendeutscher in Folge des vor 80 Jahren zu Ende gegangenen Zweiten Weltkriegs der jüngeren Generation – der deutschen und der tschechischen – näher.
Zur Entstehungsgeschichte des Buches erklärt das Museum, der Prager Dokumentarist Jan Blazek habe Interviews mit deutschen Zeitzeuginnen und Zeitzeugen, die als Kinder die Vertreibung aus der Tschechoslowakei erleben mussten, geführt. “Der Schriftsteller Marek Toman bearbeitete anschließend diese Erinnerungen literarisch und schuf damit das Szenario für die spätere bildhafte Umsetzung in eine Graphic Novel.” Fünf junge tschechische Zeichnerinnen und Zeichner hätten den Geschichten dann einen individuellen künstlerischen Charakter verliehen.
Diese seien nun in der Schau zu sehen. Um sie herum würden Fragen wie die folgenden beantwortet: “Was war das für ein Gefühl, vor 80 Jahren nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges in der Tschechoslowakei ein Mädchen oder ein Junge deutscher Nationalität zu sein? Konnten sie zur Schule gehen, hatten sie etwas zu essen, hatten sie Spielsachen? Hatten sie etwas zu befürchten? Was konnten sie mitnehmen, als sie aus der Heimat vertrieben wurden, und was mussten sie zurücklassen?”
Neugablonz wurde nach Angaben der Stadt Kaufbeuren, zu der der Ort gehört, 1946 von vertriebenen Sudetendeutschen aus dem Kreis Gablonz in Nordböhmen gegründet. 1945 hatte der Kreis Gablonz demnach rund 100.000 deutsche Einwohner, 18.000 von ihnen siedelten sich im Raum Kaufbeuren an. “Neugablonz ist die einzige Siedlung dieser Größenordnung, die von einer geschlossenen Bevölkerungsgruppe aus den Vertreibungsgebieten gegründet worden ist, sie ist die einzige, die den Namen einer ehemals deutschen Stadt trägt.”
Neugablonz gilt als Denkmal der Aufbauleistung der vertriebenen Deutschen schlechthin, wie es weiter heißt. Im Kreis Gablonz sei einst die weltweit bekannte Gablonzer Glas- und Schmuckindustrie beheimatet gewesen. Heute sei der Ort mit etwa 130 Betrieben in dieser Branche das Modeschmuck-Zentrum der Bundesrepublik.