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Neue Bewegung bei Ermittlungen zu Bischofsmord in Guatemala

Bischof Gerardi ist eine Ikone bei der Aufklärung von Gräueltaten im guatemaltekischen Bürgerkrieg. Gut 27 Jahre nach seiner brutalen Ermordung wächst wieder Hoffnung, dass die Sache vorankommt.

Der Mord war eine Zäsur in Guatemala. Eine Tat, die das Land in eine Zeit davor und danach trennte. Weihbischof Juan Gerardi Conedera wurde am Abend des 26. April 1998 in seiner Garage des Pfarrhauses im Zentrum von Guatemala-Stadt brutalst erschlagen. Unbekannte prügelten mit einem schweren Stein auf ihn ein; immer wieder – sodass man ihn später nur noch auf Grund seines Bischofsrings identifizieren konnte. Bis heute ist der Mord nicht voll aufgeklärt – denn die Mühlen der Justiz mahlen in Guatemala nach eigenen Gesetzen.

Gerardi ist eine Ikone zur Aufklärung der Gräueltaten des Bürgerkriegs in Guatemala, eines der brutalsten Konflikte in der Geschichte Lateinamerikas. Er dauerte 36 Jahre und endete am 29. Dezember 1996 mit dem Abschluss eines Friedensvertrags zwischen der rechtsgerichteten Regierung und der Rebellenvereinigung URNG. Zwei Tage vor dem feigen Mord hatte der Bischof in der Kathedrale der Hauptstadt seine Dokumentation “Nie wieder” (Nunca mas) der Öffentlichkeit übergeben.

In diesem Bericht zur “Wiedererlangung des historischen Gedächtnisses” (REMHI) wurden 50.000 der mehr als 200.000 Menschenrechtsverbrechen dokumentiert. Mehr als eine Viertelmillion Menschen fanden in den 36 Jahren den Tod, der überwiegende Teil war indigener Herkunft. Gerardi benannte Ross und Reiter – und unterschrieb damit offenbar sein eigenes Todesurteil.

Sehr lange musste die Kirche in Guatemala darauf warten, dass sich die Justiz intensiver mit dem Thema befasst. Denn trotz rechtskräftiger Urteile blieben viele Fragen zu den Drahtziehern des Mordes offen. Nun gibt es endlich neue Bewegung. Ende April wurde Ex-Militär Dario Morales García in den USA festgenommen und sofort von der Trump-Regierung nach Guatemala abgeschoben. Dort wurde er von den örtlichen Behörden festgenommen.

Der ehemalige Stabsunteroffizier der Armee und Mitglied des Präsidialstabs ist nun wegen Beihilfe zu außergerichtlichen Hinrichtungen und Falschaussage im Rahmen des Gerardi-Verfahrens angeklagt. Eine Richterin hat einen Haftbefehl erlassen und Untersuchungshaft angeordnet.

“Die Richterin ist der Ansicht, dass es genügend Anhaltspunkte gibt, um seine mögliche Beteiligung an der abscheulichen Tat festzustellen”, erklärt der Geschäftsführer des Büros für Menschenrechte des Erzbistums Guatemala (ODHAG), Nery Rodenas, im Gespräch mit der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).

Da nach Ansicht des Gerichts Fluchtgefahr besteht und eine Behinderung der Ermittlungen vorliege, wurde der Angeklagte in eine Haftanstalt in der Hauptstadt gebracht. Die Richterin legte eine Frist von zwei Monaten für den Abschluss der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen den nun Angeklagten fest. Die Anhörung zur ersten Erörterung der Anklage ist für 26. Juni angesetzt.

Rodenas weiter: “Natürlich hoffen wir auf eine Verurteilung des Angeklagten. Wir hatten schon am Anfang des Prozesses mehr als ein Dutzend Personen mit dem Mord in Verbindung gebracht – doch ganze vier wurden verurteilt.” Vielleicht erfahre man nun im Prozess gegen Darío Morales García mehr über die genaueren Umstände des Mordes.

Gerardi überlebte nicht – aber die Fakten aus seinem Bericht, den er unmittelbar vor seinem Tod der Öffentlichkeit zugänglich machte. Daraus geht hervor, dass mehr als 90 Prozent der Morde auf Armee, Paramilitärs und Zivilpatrouillen zurückgehen. Für etwa neun Prozent zeichnete demnach die Guerilla verantwortlich.

Allein für die Hochland-Provinz Quiché führt der Bericht für die Zeit des Bürgerkriegs 31.400 Verhaftungen, 13.728 Tote, 2.157 Verschwundene, 3.207 Fälle von Folter und 4.039 Attentate auf. Auf Entschädigung warten die meisten Opfer bis heute.