Die New Yorker Kuratorin Naomi Beckwith (Jahrgang 1976) ist Künstlerische Leiterin der Weltkunstausstellung documenta 16 vom 12. Juni bis 19. September 2027 in Kassel. Yilmaz Dziewior, Direktor des Museums Ludwig in Köln, und Mami Kataoka, Direktorin des Mori Art Museums in Tokio, stellten für die Findungskommission die neue Leiterin am Mittwoch in Kassel vor. „Wir sind von Naomi Beckwiths Expertise und internationaler kuratorischer Erfahrung überzeugt“, sagte Kataoka. Beckwith arbeitet als stellvertretende Direktorin und Chefkuratorin am Solomon R. Guggenheim Museum in New York.
Beckwith hob in einer ersten Stellungnahme hervor, dass die Ernennung für sie eine große Überraschung gewesen sei. Ihr Ansatz werde es sein, die verschiedenen Kulturen und Menschen in einen Dialog zu bringen. Sie habe keinerlei Toleranz für Rassismus, Diskriminierung oder Antisemitismus, erklärte sie. Überraschungen bei Kunstwerken – wie bei der documenta 15 geschehen – werde es mit ihr nicht geben. „Ich kenne die Kunstwerke und ihre Künstler“, sagte sie. Angesichts der weltweiten Krisen und Umwälzungen sei Kunst ein geeignetes Mittel, über die Zukunft nachzudenken.
Beckwith wird in den kommenden drei Monaten in einer öffentlichen Veranstaltung ihr kuratorisches Konzept darlegen und erklären, wie sie die Achtung der Menschenwürde unter Wahrung der Kunstfreiheit schützen will. Dies ist eine Neuerung der documenta. Eine Managementberatung hatte angesichts der Verwendung antisemitischer Bildmotive auf der documenta 15 zunächst empfohlen, dass die künstlerische Leitung eine schriftliche Selbstverpflichtung abgeben und sich einem Verhaltenskodex („code of conduct“) unterwerfen solle. Dies hatte in der Öffentlichkeit heftige Proteste etwa in Form der Initiative „standwithdocumenta“ hervorgerufen, die von zahlreichen Künstlern sowie drei ehemaligen Aufsichtsratsvorsitzenden der documenta unterstützt wurde.
Der Aufsichtsrat verzichtete danach auf die Umsetzung dieses Vorschlags, setzte aber einen wissenschaftlichen Beirat ein, der die documenta begleiten soll. Die Mitglieder des Beirats würden demnächst der Öffentlichkeit vorgestellt, sagte der Kasseler Oberbürgermeister Sven Schneller (Grüne), der zugleich Aufsichtsratsvorsitzender der documenta gGmbH ist.
Für die documenta gGmbH werde es allerdings einen „code of conduct“ geben, kündigte documenta-Geschäftsführer Andreas Hoffmann an. Diesem liege eine humanistische Weltsicht zugrunde, in den kommenden Wochen solle er ebenfalls der Öffentlichkeit vorgestellt werden. Der Etat der documenta 16 bewege sich im Rahmen des Etats für die documenta 15 und belaufe sich auf 42,2 Millionen Euro, erklärte Hoffmann.
Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) begrüßte die Berufung von Beckwith. „Sie bringt mit ihrer wegweisenden, international ausgerichteten kuratorischen Tätigkeit die besten Voraussetzungen mit, um die nächste documenta zu einem Erfolg mit weltweiter Ausstrahlung zu machen“, teilte Roth in Berlin mit.
Der sechsköpfigen Findungskommission, die im Juli dieses Jahres nominiert wurde, gehören außerdem noch an: Die aus Puerto Rico stammende, in Frankfurt lebende freie Kuratorin Yasmil Raymond, der in Berlin und Tel Aviv tätige, aus Argentinien stammende Sergio Edelsztein, die künstlerische Leiterin des Jim Thompson Art Centers in Bangkok (Thailand), Gridthiya Gaweewong, sowie aus dem Senegal die Kuratorin, Autorin und Dozentin N’Goné Fall.
Eine erste Findungskommission war im Herbst 2023 zurückgetreten, nachdem einer Bitte der israelischen Künstlerin Bracha Lichtenberg Ettinger nicht entsprochen worden war, die Entscheidungsfindung angesichts des Gaza-Krieges zu verschieben, und nachdem gegen den indischen Dichter und Kurator Ranjit Hoskote Antisemitismusvorwürfe erhoben worden waren.