Zuletzt war in die Grüneberger Pfarrscheune Stille eingekehrt, sie wurde von der Kirchengemeinde des kleinen Ortes im Löwenberger Land selten genutzt. Am vorvergangenen Sonntag freilich wurde das kleine Gebäude revitalisiert; kurzfristig wurde entrümpelt und Gottesdienst gefeiert statt in der benachbarten Kirche. Es kann gut sein, dass dieses Provisorium noch eine Weile Bestand haben muss. In seiner Predigt kam Pfarrer Reinhard Kees, in Amtstracht hinter einer ehemaligen leiterhohen Heukiste, auf den Anlass zu sprechen, den natürlich jeder kannte.
Ein desaströser Anblick
Am Sonntag zuvor hatte ein Spaziergänger einen großen Krach wahrgenommen, der aus dem Inneren der Grüneberger Dorfkirche kam, einer fast 900 Jahre alten frühgotischen Feldsteinkirche. Schnell waren Vorstandsmitglieder des Gemeindekirchenrats zur Stelle, schalteten sofort den Strom ab und machten sich ein Bild: Eine abgehängte Kirchendecke hatte sich vom Dachstuhl gelöst und war herabgestürzt. Später trafen Bausachverständige des Kirchenkreises ein und ein Experte der örtlichen Verwaltung.
Frank Röger, Leiter des Kirchlichen Bauamtes der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO), wurde schnell informiert. Es bot sich ein desaströser Anblick. Der barocke Kanzelaltar und die vorderen Bankreihen lagen unter einem Trümmerberg. Als Pfarrer Kees, eigentlich ein unerschrockener Mann, den Schaden sah, war ihm kurzfristig mulmig zumute. „Die Decke ist genau über der Stelle zusammengekracht, an der normalerweise der Pfarrer steht.“
Eine schlechte und viele gute Nachrichten
„Ich habe eine schlechte und viele gute Nachrichten“, sagte Pfarrer Kees zu den Gottesdienstbesuchern; ihm gehe es darum, ein bisschen Zuversicht und Optimismus zu verbreiten. Die schlechte Nachricht sei bekannt. Die erste gute Nachricht sei, dass niemand zu Schaden kam. Noch zwei Tage zuvor hatten dort 90 Kinder Chorprobe. Die zweite positive Botschaft: Es habe viele aufmunternde Anrufe gegeben und Spenden aus nah und fern. Viele Menschen seien also solidarisch. Und als Drittes könne man sagen, dass zusätzliche Baumängel beispielsweise am Kirchendach ausgeschlossen werden. Und mit der Pfarrscheune habe man einen wunderbaren Raumersatz für die nächsten Gottesdienste gefunden.
Große Solidarität
Allein durch schnelle Spendenaktionen in Grüneberg und Liebenwalde sind fast 1000 Euro zusammengekommen, plus Einzelspenden, die auf einem extra eingerichteten Spendenkonto im zuständigen Kirchlichen Verwaltungsamt eintreffen. „Große Solidarität“, freut sich Pfarrer Kees. Geldspenden sind umso willkommener, weil es fraglich ist, ob dieser Schadensfall zum Versicherungsfall wird. Die berühmte „höhere Gewalt“ liegt wahrscheinlich nicht vor. Ursache ist ein fatales Wechselverhältnis von extremer Hitze, heftigen Regenschauern und Materialermüdung, zumal bei den Verbindungen zwischen abgehängter Unterdecke und Dachkonstruktion. Dass solche Verbindungen altersschwach werden können, sei im Prinzip bekannt, heißt es unter Fachleuten.
Andreas Nisse vom beauftragten Ingenieurbüro für Baustatik und Sanierungsplanung (ibs) aus Berlin-Hoppegarten sagt: „Bei hoher Luftfeuchte quillt das Holz auf. Die Trockenheit sorgt dafür, dass sich das Holz wieder zusammenzieht. Für die Nägel, mit denen die Latten der Unterdecke, verbunden mit Nut und Federn, an den Dachträgern befestigt sind, kann das, wie hier in Grüneberg, zum Problem werden.“ Anscheinend war die Befestigung der Deckenlatten mittels glatter Nägel üblich zu DDR-Zeiten in den 1980-er Jahren, als die Grüneberger Kirche renoviert werden musste – ausgerechnet nach einem Kollaps des Kirchendaches, an den sich noch viele Grüneberger mit Schrecken erinnern.
Kirchenbauten überprüfen
Allerdings gibt es auch Fachleute, die beteuern, dass eine solche Befestigung wie in Grüneberg auch in den 1980er-Jahren der DDR vorschriftswidrig gewesen sei. Anderswo galten zum Beispiel Schraubbefestigungen als üblich bei Kirchenrenovierungen. Konsequenz: „Es gibt jetzt von uns als Landeskirche die dringende Empfehlung, die einzelnen Kirchen dahingehend zu überprüfen, ob eine ähnliche Konstruktion vorliegt“, sagt Frank Röger, Architekt und diplomierter Bauingenieur.
Im Kirchenkreis Oberes Havelland hat es eine solche Überprüfung schon vor dem Deckeneinbruch in Grüneberg gegeben: „Seit September vergangenen Jahres erfolgt die systematische bauliche Erfassung aller kirchlichen Gebäude im Kirchenkreis Oberes Havelland“, erläutern Stefan Determann, Öffentlichkeitsbeauftragter im Kirchenkreis, und Winfried Günther, ehrenamtlicher Vorsitzender der Arbeitsgruppe für Baufragen im Kirchenkreis.
Drei weitere Kirchengebäude vorsorglich gesperrt
Diese anlasslose Überprüfung, die eigentlich mit akuten Mängeln und Havarien nichts zu tun hat, stellte sich nach dem Fall Grüneberg als Vorteil heraus. Aufgrund der vorläufigen Übersicht aller Kirchengebäude habe der Kirchenkreis sehr schnell auf die Situation in Grüneberg reagieren können und weitere Kirchen, die ähnliche Konstruktionen haben und eventuell ähnliche Merkmale aufweisen könnten, ermittelt. Umgehend wurden deshalb drei weitere Kirchengebäude vorsorglich gesperrt, und zwar in Barsdorf, Hindenberg und Leegebruch, wo zuletzt Entwarnung gegeben werden konnte.
Die Kirchengemeinde hat ein Spendenkonto eingerichtet.
Empfänger:
Ev. Kirchenkreisverband Eberswalde, Konto: DE93 1509 1704 0320 0108 70
bei der VR-Bank Uckermark-Randow eG,
Verwendungszweck: „Kirche Grüneberg“