Weiter so und mehr davon – das wünschen sich Muslime vom nächsten Papst. Franziskus hat im interreligiösen Gespräch neue Maßstäbe gesetzt. Themen wie Islamismus und religiöse Intoleranz behandelte er eher diplomatisch.
Wenn ab Mittwoch die Kardinäle zur Wahl eines neuen Papstes schreiten, blicken nicht nur Christen gespannt nach Rom. Auch viele Muslime verfolgen aufmerksam, welcher Mann nach dem Konklave in weißer Soutane auf den Balkon des Petersdoms tritt. Denn der verstorbene Papst Franziskus, der die rituelle Fußwaschung am Gründonnerstag demonstrativ auch bei muslimischen Häftlingen vollzog, hat den interreligiösen Dialog mit dem Islam vorangetrieben wie keiner seiner Vorgänger.
Als historisch gilt das “Dokument über die Brüderlichkeit aller Menschen”, das er gemeinsam mit dem ägyptischen Großimam Ahmad al-Tayyeb 2019 in Abu Dhabi unterzeichnete. Sein Einsatz für Migranten und gegen den Gaza-Krieg verschafften Franziskus darüber hinaus viel Sympathie in der islamischen Welt.
Wird der nächste Papst auf diesem Feld in die großen Fußstapfen des Argentiniers treten? Oder womöglich auf die Bremse? Die Erwartungen unter Muslimen sind hoch, auch in Deutschland. “Wir wünschen uns einen Papst, der den interreligiösen Dialog weiterhin aktiv stärkt, Brücken der Verständigung baut und entschlossen gegen jede Form von Hass, Rassismus und religiöser Diskriminierung eintritt”, sagt der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland, Abdassamad El Yazidi, der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Gerade in einer Zeit wachsender religiöser Spannungen und gesellschaftlicher Polarisierung brauche es mutige Stimmen für Frieden, Respekt und den Schutz der Menschenwürde.
Weltweit verliere der Glaube an Gott an Bedeutung, heißt es auf Anfrage von der Ditib, dem größten Moscheeverband in Deutschland. “Wir hoffen, dass der neue Papst auch hier seine Rolle als Stütze für die gläubigen Menschen weltweit stärken wird.” Die Zusammenarbeit von Muslimen und Christen “in Deutschland sowie auf der ganzen Welt” sei wichtig, um die globalen Probleme zu bewältigen. Ähnlich bezeichnete schon das Dokument von Abu Dhabi die interreligiöse Eintracht als Basis für Weltfrieden, Armutsbekämpfung und Umweltschutz.
“Auch aus muslimischer Sicht ist es bedeutsam, wer künftig an der Spitze der katholischen Kirche stehen wird”, sagt der Generalsekretär des Islamrats, Murat Gümüs, der KNA. Die Stimme der katholischen Kirche habe weltweites Gewicht. “Wir hoffen auf einen neuen Papst, der sich weiterhin entschieden gegen jede Form von Krieg und Unterdrückung stellt, insbesondere derzeit in der Ukraine und in Gaza.” Außerdem erwartet der Verband, dass Franziskus’ Nachfolger den christlich-islamischen Dialog nicht als Nebensache, sondern als Auftrag versteht.
Liberale muslimische Stimmen setzen aber auch auf einen Papst, der Islamismus und religiöse Verfolgung anprangert. Franziskus hatte diese Themen – anders als sein Vorgänger Benedikt XVI. – eher zurückhaltend behandelt. Man erwarte “eine deutliche Positionierung der katholischen Kirche gegenüber der anhaltenden Verfolgung religiöser Minderheiten im Nahen und Mittleren Osten – insbesondere in Syrien”, teilt der Bund Alevitischer Gemeinden der KNA mit. Und nennt neben Christen auch Alawiten, Schiiten, Drusen und Ismailiten. “Die Stimme des Papstes hat hier weltweite Bedeutung und Gewicht.”
Auch die dialogorientierte Alhambra-Gesellschaft warnt vor zuviel Zurückhaltung. Gerade in Zeiten globaler Krisen müsse es darum gehen, “wie wir gemeinsam destruktive Elemente in den Religionen zurückdrängen und die positiven Potenziale in den Religionen für ein besseres Zusammenleben wecken können”.
Einen klaren persönlichen Favoriten dafür hat der islamische Theologe Mouhanad Khorchide: “Für mich wäre Kardinal Pierbattista Pizzaballa aus Jerusalem der ideale Papst”, so der Leiter des Zentrums für Islamische Theologie an der Uni Münster. Der Lateinische Patriarch habe sich besonders nach Beginn des Gaza-Kriegs als engagierter Vermittler bewiesen und enge Kontakte zu den Muslimen im Heiligen Land. “Deshalb genießt er in der islamischen Welt hohe Anerkennung.”