Seine Klarinette jubelt, klagt, gurrt und säuselt, schmettert wie eine Trompete und klingt sanft wie eine Flöte. Wenn Giora Feidman in Deutschland unterwegs ist, sind seine Konzerte ausverkauft. Der gebürtige Argentinier gilt als einer der weltweit besten Klarinettisten. Nun feierte Feidman seinen 80. Geburtstag – und geht aus diesem Anlass im Frühjahr wieder einmal auf Tour.
Die Musik wurde dem jungen Giora in die Wiege gelegt. Den ersten Unterricht erhielt er von seinem Vater. Beide Eltern waren bessarabische Juden aus dem heutigen Moldawien, die vor den Judenpogromen in ihrer Heimat nach Südamerika geflohen waren. Geboren wurde Giora Feidman in Buenos Aires. Bereits mit 18 war er Mitglied im Orchester des Teatro Colon in seiner Heimatstadt. 1956 wanderte er nach Israel aus.
Jüdische Herkunft bestimmt sein Schaffen
Viele Jahre spielte Feidman die Bassklarinette im Israel Philharmonic Orchestra. In den 1970er Jahren begann er eine Solokarriere und siedelte nach New York über. Einem breiten Publikum wurde er ab den 1990er Jahren durch seine Film- und Theaterarbeit bekannt: In den deutschen Filmen „Jenseits der Stille“ und „Comedian Harmonists“ hatte er Auftritte mit seiner Klarinette, auch an der Filmmusik zu „Schindlers Liste“ war er beteiligt.
Die jüdische Herkunft bestimmt sein musikalisches Schaffen und gesellschaftlichen Einsatz gleichermaßen. Im musikalischen Bereich widmete er sich vor allem der Klezmermusik, die er weiterentwickelte und zu deren Wiederbelebung er maßgeblich beitrug. Diese Volksmusik jüdischer Tradition entwickelte sich seit dem 15. Jahrhundert aus dem liturgischen Kantorengesang der Synagoge; ihre heutige Form entstand vermutlich im 19. Jahrhundert in Osteuropa.
Klezmer enthält somit religiöse Traditionen, ist aber rein weltliche Instrumentalmusik. Die Klezmorim spielten vor allem Tanzmusik, aber auch Klagelieder und freie Fantasien gehörten zu ihrem Repertoire. Feidman verbindet seine Klezmermusik mit Elementen klassischer Musik.
1967 kam Giora Feidman mit seinem Orchester zum ersten Mal nach Deutschland. Nachdem er in seiner Kindheit „nur Schreckliches über die Deutschen gehört hatte“, empfand er seinen Aufenthalt im „Land der Täter“ als „unglaublich schwierig“. Aber die Verbindung blieb, und 1984 lud Theaterregisseur Peter Zadek ihn ein, im Theaterstück „Ghetto“ an der Berliner Volksbühne mitzuwirken. Feidman spielte darin einen Juden in Vilnius während des Zweiten Weltkriegs. Dieses Stück hat ihn hierzulande bekannt gemacht. Im Laufe der Jahre entwickelte Feidman eine besondere Nähe zu Deutschland. Inzwischen bezeichnet er es als Stück Heimat.
Die Aussöhnung zwischen Juden und Deutschen liegt ihm besonders am Herzen. Für sein jahrzehntelanges Engagement in diesem Bereich wurde Feidman vielfach ausgezeichnet, unter anderem als „einer der großen Brückenbauer der Musik unserer Tage“.
Gedanke an deutsche Kollektivschuld lehnt er ab
Musik hat für Feidman spirituelle Bedeutung, er sieht sie als „Dienst an der Gesellschaft“. Musik sei die Botschaft der Einheit, sagte er einmal in einem Interview. Auf das Verhältnis zwischen Deutschen und Juden angesprochen, meinte er: „Der heilende Prozess zwischen Juden und Deutschen ist zu Ende. Wir leben in der Gegenwart, und die ist Einheit. Was nicht heißt, dass wir die Vergangenheit vergessen sollen.“ Jeden Gedanken an eine deutsche Kollektivschuld für den Holocaust oder gar eine Schuld der Nachgeborenen lehnt Feidman ab.
Feidmans Schaffenskraft ist beeindruckend. Ihre Ursache liege in der Musik, erklärte er einem jungen Kollegen: „Das liegt daran, dass ich 24 Stunden am Tag singe. Aber ich singe nicht selbst, sondern eine innere Stimme. Sie weint und lacht, ist warm und kalt und ist dein eigentlicher Lehrer. Es geht nur darum, auf sie zu hören.“ Musik hält jung, dafür ist er selber wohl der beste Beweis. Allein im April stehen 17 Konzerte im gesamten deutschsprachigen Raum auf seinem Programm. Viele finden in Kirchen statt.