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Museum legt “blinden Fleck” offen

„Unrecht & Profit – Das Badische Landesmuseum im Nationalsozialismus“ heißt die neue Sonderausstellung am Badischen Landesmuseum in Karlsruhe (12. April bis 28. September). Sie zeigt Ergebnisse langjähriger Provenienzforschung zu Kulturgütern jüdischer Sammlerinnen und Sammler, die vom NS-Regime enteignet und beschlagnahmt wurden. „Wir sehen es als unsere Verpflichtung, diesen für die Öffentlichkeit ‚blinden Fleck‘ offen zu legen“, sagte Museumsdirektor Eckart Köhne am Donnerstag vor Journalisten.

Die Provenienzforschung befasst sich mit der Herkunft und dem Verbleib von Kunstgegenständen und Gemälden. Der Forschungszweig der Geschichtswissenschaft ist in den vergangenen zwei Jahrzehnten gewachsen. Lange Zeit hätten Museen während der NS-Zeit als unverdächtig gegolten im Blick auf den staatlich angeordneten Entzug „entarteter Kunst“, betonte Köhne. „Doch seit der Washingtoner Konferenz von 1998 wurde deutlich, dass auch die Museen vom Raub jüdischen Kulturguts profitierten“, so der Direktor. Dank akribischer Provenienzforschung seien viele Kunst- und Alltagsgegenstände vor dem „historischen Vergessen“ bewahrt worden.

Seit 2010 recherchiert die Provenienzforscherin und Kuratorin Katharina Siefert die Rechtmäßigkeit der 840 Objekte, die das Badische Landesmuseum zwischen 1933 und 1945 erwarb. Mehr als 70 dieser Erwerbungen unklarer Herkunft von Keramik über Malerei, Skulptur und Textil sind in der Sonderausstellung zu sehen. Neben den Objekten dokumentiert die Kuratorin ihre Arbeit: Faksimiles alter Rechnungsbelege, Zeitungsausschnitte, Entzugslisten oder Pressefotos veranschaulichen die akribische Spurensuche.

„Es gab Richtlinien zur beschleunigten Freimachung jüdischer Wohnungen“, beschreibt Siefert, wie das NS-Regime die rechtlichen Voraussetzungen für die systematische Aneignung jüdischen Eigentums schuf. Ein Großteil der Kunstgegenstände entstammt dem kompletten Hausrat nach der Deportation von 6.000 Juden aus Baden und der Saarpfalz nach Gurs am 22. Oktober 1940. Andere verweisen auf die oftmals weite Odyssee der Werke.

Eine mittelalterliche Skulptur, die 1943 auf einer Liste mit Gemälden „aus nichtarischem Besitz“ erfasst wurde, entstammt beispielsweise einem der 80 Umzugsgüter jüdischer Familien. Sie wurden von Mannheim nach Amsterdam oder Rotterdam transportiert und anschließend wieder zurückgebracht. Rund 600 Container mit Hausrat wurden laut dem Landesmuseum auf diesem Weg gezielt nach „museumswürdigen“ Objekten durchsucht.

Andere Kunstgegenstände wie die japanische Figur „Daikoku“ (1943) entstammen der Räumung von Wohnungen vertriebener Jüdinnen und Juden in Paris. Möbel und Hausrat wurden bei dieser Aktion in Eisenbahnwaggons nach Deutschland transportiert. Exemplarisch für die gezielte Aneignung speziell in Karlsruhe stehen ein Puppenservice, das 1940 aus einer jüdischen Wohnung beschlagnahmt wurde, sowie eine Bronze-Mörser, den 1943 ein Kunsthändler erwarb.

Offen bleiben bei den meisten Objekten die Namen der Geschädigten. Die Ausstellungsmacher legen Wert darauf, dass die gezeigten Werke auch stellvertretend stehen für die Identität der unbekannten und namenlosen Opfer. (0836/10.04.2025)