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Museum Brandhorst zeigt Werke fünf US-amerikanischer Freunde

Sie waren Freunde, arbeiteten zusammen, beeinflussten sich gegenseitig: fünf US-Künstler, unter ihnen Cy Twombly. Dessen Werke bilden den Schwerpunkt des Museums Brandhorst, das nun Einblick in aller Schaffen gewährt.

In den USA gerät die Kunst derzeit unter die Räder der Politik. Ob dem Präsidenten gefallen würde, was nun in München zu sehen ist? Dort präsentiert bis 17. August das Museum Brandhorst die Ausstellung “Fünf Freunde”. Es geht um den Musiker und Theoretiker John Cage (1912-1992), den Choreographen und Tänzer Merce Cunningham (1919-2009) sowie die Maler und Bildhauer Jasper Johns (geboren 1930), Robert Rauschenberg (1925-2008) und Cy Twombly (1928-2011): US-Amerikaner, die die Kunst des 20. Jahrhunderts maßgeblich beeinflussten.

In engem Austausch schufen diese Künstler einzigartige Verbindungen zwischen ihren Gattungen und Medien. Mit über 180 Werken sowie Partituren, Bühnenrequisiten, Kostümen, Fotografien und Archivalien vermittelt die Schau einen spannenden Einblick in ihr Zusammenspiel. Die Männer verbanden persönliche Freund- und Partnerschaften, innige Beziehungen und schmerzvolle Trennungen. Vor allem aber lag ihr künstlerisches Interesse darin, neue Ausdrucksformen zu erproben und sich mit ähnlichen Themen zu beschäftigen: mit Stille und Zufall, mit Technik und Fortschritt, mit Tradition und radikaler Neuerung.

Die Schau beginnt in den 1940/50er-Jahren, als sich die fünf Männer kennenlernten und ein kreatives Netzwerk bildeten. Ein wichtiger Ort war das Black Mountain College in North Carolina, wo Cage und Cunningham ihre Konzeption der Stille und des Zufalls entwickelten. Nach einer Reise von Rauschenberg und Twombly nach Italien und Nordafrika fanden beide zu ihrer “Handschrift”. Rauschenberg erfand seine “Combines” – eine Mischung aus Gemälden und Skulpturen, in die er auch Zeichnungen und Fotografien integrierte. Twombly entwickelte seine an Graffiti erinnernde Strichführung. Das Markenzeichen von Johns wurden Flaggen- und Zielscheiben-Bilder.

Ihren internationalen Durchbruch schafften die Künstler in den späten 1950er- und frühen 1960er-Jahren, wo sie zu Wegbereitern von Happening, Fluxus, Pop- und Minimal Art wurden. Das Ineinander von Kunst, Freundschaft, Konkurrenz und Zuneigung wurde zur Triebfeder ihres Schaffens.

Ermöglicht hat die Schau die enge Kooperation des Museums Brandhorst mit dem Kölner Museum Ludwig. Ersteres beherbergt die umfangreichste europäische Sammlung mit Arbeiten von Twombly. Zweiteres hat wie kein anderes in Europa so viele Hauptwerke von Johns und Rauschenberg.

Der intensivste Raum ist gleich der erste mit dem Titel “Stille”. Wer ihn betritt, verhält sich unwillkürlich leise – nicht nur, weil hier Cages Komposition “Music for Piano 4-19” ertönt, bei der nur wenige Noten in langen Abständen erklingen. Auch Rauschenbergs “White Paintings” laden dazu ein: Leinwände, die mit nichts als weißer Farbe bemalt sind und ein passendes bildnerisches Gegenstück zu Cages Konzept der Stille darstellen. Merce Cunningham übersetzte passend dazu in seinem Tanz-Solo “Stillness” die Idee der Stille in Momente des körperlichen Innehaltens.

Stille und Leere stehen im Zentrum vieler Arbeiten der Freunde. Wer still wird, richtet seine Aufmerksamkeit auf Klänge, Gegenstände und Bewegungen, die nicht sofort wahrnehmbar, nicht vorherseh- oder kontrollierbar sind. Dazu gehören Schritte, ein Räuspern, das wandernde Licht oder die Muster von Schatten an der Wand. Diese Kunst lädt ein zum Innehalten und zur Achtsamkeit – genau das Gegenteil zu den aktuellen politischen Entwicklungen samt der täglichen Flut von Bildern und Informationen.

Dass die fünf Künstlerfreunde sich nicht in einen Elfenbeinturm zurückgezogen haben, beweisen ihre Arbeiten mit politischen Bezügen: Rauschenbergs geradezu besessene Auseinandersetzung mit US-Machtsymbolen, Johns’ Flaggen- und Zielscheiben-Bilder, die auf Staatsräson und Militär verweisen, die Bezüge zu Ereignissen wie der Ermordung von John F. Kennedy (1963) oder die Kubakrise (1962) in den Werken von Cy Twombly sowie die Auseinandersetzung der Freunde mit der Raumfahrt. Zu Zeiten der McCarthy-Hetzjagd gegen Kommunisten und Andersdenkende war auch queeres Begehren nur versteckt und andeutungsweise darstellbar.

Der Gegenpol zum weißen Raum der Stille ist jener im Untergeschoss, der als Bühnenraum ganz in Schwarz gestaltet ist. Er ist den Tanz-Performances der Merce Cunningham Dance Company gewidmet. In ihm kommt der kollaborative Geist der fünf Künstler am deutlichsten zum Ausdruck. Cage war der musikalische Direktor der Tanzgruppe, Rauschenberg und Johns entwarfen Kostüme und Bühnenbilder. “Wir alle haben mit vollem Einsatz gearbeitet, jedes intensive Gefühl geteilt, und ich glaube, wir haben Wunder vollbracht, allein für die Liebe”, sagte Rauschenberg einmal. Tröstliche Worte und der absolute Gegenentwurf zum aktuellen Weltgeschehen.