UK 49/2018, Aufrüstung (Leserbrief Seite 14: „Irrglauben“)
Als Student der Evangelischen Religionslehre war ich auf dem neutestamentarischen Hintergrund ein überzeugter Pazifist. Und gleichzeitig als Student der Geschichtswissenschaft wurde meine damalige pazifistische Grundhaltung erschüttert. Mit folgenden drei historischen Beispielen möchte ich dieses Dilemma erläutern. In allen diesen Kriegen hatten Friedenslösungen keine Chancen:
1. Die zweite Belagerung Wiens durch die Osmanen erfolgte um 1683. Deren Rückzug war durch keinerlei Friedensverhandlungen möglich. Erst durch das kriegerische Eingreifen deutscher und polnischer Truppen am Kahlenberg konnte das Osmanische Reich in Mitteleuropa geschlagen werden.
2. Nachdem im Ersten Weltkrieg die Mittelmächte Deutschland und Österreich auf die Verliererstraße gelangten, machten sie den Alliierten im Dezember 1916 ein Friedensangebot, welches diese aufgrund der „Angriffslust und Kriegsschuld“ Deutschlands und Österreichs nicht annehmen konnten. Erst die neu-trale USA hatte durch ihren Kriegseintritt im April 1917 mit zwei Millionen Soldaten einen raschen Waffenstillstand erzwingen wollen, welcher erst am 11. November 1918 gelang.
3. Und wieder war es das massive militärische Eingreifen der USA am 6. Juni 1944, das die entscheidende Kriegsniederlage der deutschen NS-Gewaltherrrscher und ihrer Verbündeten im Mai 1945 herbeigeführt hat.
Diese beschriebenen Angriffskriege zeigen, dass es ernsthafte und gerechte Friedenslösungen kaum zu geben scheint. Deshalb bin ich als Christ und Kenner der Geschichte in dem für mich unlösbaren Konflikt zwischen einer humanen Gesinnungs- und realpolitischen Verantwortungsethik.
Egal wie meine Haltung in dieser Frage aussieht, werde ich jeweils moralisch schuldig. Das sollten Friedensbewegte und Militärbefürworter stets bedenken.
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