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Mit Stäblein hingegeguckt

Mit Stäblein hingeguckt ….auf die Macht der Liebe und des Gebetes

Im Anschluss an den Gottesdienst am vergangenen Samstag saßen wir mit Gästen aus Prag im Garten der Berliner Gethsemanekirche. Da fällt unser Blick auf die Barlach-Skulptur „Geistkämpfer“, die vor der Seitenmauer steht. Wir scharen uns um „diesen Barlach“, lesen, dass der Abguss hier – das Pendant dazu steht in Kiel – 1994 zur Erinnerung an fünf Jahre Friedliche Revolution aufgestellt worden ist.

„Wachet und betet“ stand 1989 über dieser Kirche. Die Menschen drinnen und draußen haben das getan, bis die Revolution friedlich geschafft war. Der „Geistkämpfer“, so hat Ernst Barlach mal gesagt, trägt zwar in der Skulptur ein Schwert, aber er beschreibt einen inneren Vorgang, das innere Ringen um Gut und Böse, um Gottes Geist und die Geister der Welt.

So passt er gut zur Gethsemanekirche in Berlin-Prenzlauer Berg. Seit Monaten wird hier täglich für die Oppositionellen in Belarus gebetet, die unter Einsatz von Leben und Freiheit für Demokratie und Wahrheit eintreten. So wie vor vier Jahren für den Menschenrechtsaktivisten Peter Steudtner und viele andere gebetet wurde, die in der Türkei ins Gefängnis geworfen worden waren. Die Macht des Gebets als Heimat von Gottes Geist ist in dieser Kirche förmlich zu greifen, zu spüren. Die Macht des Gebets und, ja, die Macht der Liebe.

Diese Himmelsmacht ist an diesem Sonnabendmorgen, dem letzten im Juni, besonders zu spüren. Die Kirche ist gefüllt mit Frauen und Männern, die sich für die LGBTIQ*-Gemeinschaft einsetzen. Die Community selbst ist gekommen. Regenbogenfarben und -fahnen sind zu sehen. Es ist der Auftakt zum Berlin-Pride-Sternmarsch an diesem Christopher-Street-Day und es ist für mich bewegend, dass dieser East-Pride-Marsch mit einem Gottesdienst beginnt.

Das ist kein Zufall. An diesem Ort hat sich schon Anfang der 1980er Jahren eine Lesben-Gruppe in der Kirchengemeinde getroffen – also zu einer Zeit, in der der DDR-Staat dieses beäugt, unterlaufen und, wo immer ihm möglich, verhindert hat. Emanzipatorische Gruppen jenseits der marxistisch-sozialistischen Doktrin waren mehr als suspekt. Und so öffnete manche Kirchengemeinde ihre Türen: Gethsemane in Prenzlauer Berg, die Bekenntniskirche in Treptow oder auch die Evangelische Akademie zu Berlin mit ihrer wegweisenden Arbeit.

An diese oft übersehene Geschichte wird im Gottesdienst erinnert. Und daran, dass es ein Kampf des Geistes der Liebe gegen den Ungeist der Homophobie war und ist. „Homophobie ist Sünde“ steht auf dem Banner über dem Eingang. Von der Liebe und von der Freiheit ist in den Predigten und Reden in der Kirche zu hören. Barlachs „Geistkämpfer“ ist gegenwärtig. Draußen im Garten mit Blick auf ihn erzählen die Gäste aus Prag später noch von ihrer Friedlichen Revolution, die ja die „samtene“ genannt wird. Samten – aber entschieden im Geist.