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Mit dem Glauben Staat machen?

Die christlichen Kirchen verlieren an Bedeutung. Welche Rolle werden sie zukünftig in einem säkularen Staat einnehmen? Braucht der Staat die Religion?

Wird Religion in Zukunft zur Privatsache – verbannt ins stille Kämmerlein? Verborgen hinter Kirchenmauern? Der Mitgliederschwund der Kirchen und die fortschreitende Säkularisierung der Gesellschaft scheinen darauf hinzudeuten. Es werden Stimmen laut, die den gesellschaftlichen Einfluss der Christen auf ein „statistisches Maß“ beschneiden wollen. Die stellten in manchen Großstädten schließlich weniger als 50 Prozent der Gesamtbevölkerung. Stimmungsmacher, oft aus dem atheistisch-humanistischen Lager, halten Religion und Glauben grundsätzlich für schlecht, eine Gefahr für den seelischen und politischen Frieden.

Wie sollen sich Christen in dieser Stimmungslage positionieren? Ist mit dem Glauben noch Staat zu machen? Passen Religion und Demokratie noch zusammen?
Interessanterweise sind es gerade die Stimmen von Christen in der Politik – und zwar parteiübergreifend –, die gehört werden und in demokratischen Prozessen eine wichtige Rolle spielen. Und das nicht nur in Deutschland. In einer bemerkenswerten Rede vor Studentinnen und Studenten in Tunis äußerte sich jüngst Außenminister Frank-Walter Steinmeier sehr persönlich zu Glauben und Demokratie. Er tat es vor Muslimen. Als Christ habe sein Handeln etwas mit der Gesellschaft zu tun. „Meine Religion gebe ich ja nicht an der Garderobe ab, wenn ich morgens in mein Büro gehe“, sagte Steinmeier. „Mein Glaube inspiriert mein Handeln, im privaten wie im öffentlichen Raum.“ Das bedeute aber auch, dass der Glaube nicht selbst Gegenstand der Politik werde, „und schon gar nicht zum Instrument gegen Andersgläubige“.
Ein Christ erläutert Muslimen einfühlsam, warum er seine Religion nicht verstecken will, sondern sie für einen wesentlichen Beitrag für das Gemeinwesen hält, zum Wohl aller.
Niemand kann voraussehen, wie sich die Lage der Christen in Deutschland entwickeln wird. Sehr wahrscheinlich wird ihre Stimme im schrillen Konzert der Weltanschauungen und Religionen schwerer vernehmbar sein. Vielleicht wird ihr Wächteramt mehr gefordert sein, gerade als Gegenrede gegen vorherrschende Meinungen und vermeintliche Selbstverständlichkeiten. Aber auf keinen Fall sollen sich Christen entmutigt in die fromme Ecke drängen lassen. Christen haben eine Sendung, eine Mission für alle Menschen. Es geht nicht allein um das Seelenheil, sondern um das Heilsein des ganzen Menschen, auch wenn der anderer Weltanschauung ist. Es geht um sinnvolles Leben, soziale Verantwortung und politisches Handeln. Demokratie braucht Menschen, die aus starken Überzeugungen heraus handeln und die Früchte allen Menschen zugute kommen lassen: gute Normen, gemeinsame Maßstäbe, Freiheit, Solidarität, Gerechtigkeit, Menschenwürde und Toleranz.
Christen bleiben profilierte Bürger des Staates, in dem sie leben – auch als Minderheit, in für sie raueren Zeiten. Und sie leben das aus ihrer Beziehung zu Jesus Christus, der die Richtung vorgelebt und den Ort vorgegeben hat: Mittendrin! (Siehe auch Seite 5.)