Die Landesbischöfin der evangelischen Nordkirche, Kristina Kühnbaum-Schmidt, empfindet nach Veröffentlichung der Ergebnisse der ForuM-Studie über sexuellen Missbrauch in der evangelischen Kirche „tiefe Scham – persönlich und stellvertretend für unsere Kirche“. Es erschüttere sie immer wieder, „dass Erwachsenen, Jugendlichen und Kindern im Raum unserer Kirche tiefes Leid zugefügt wurde, dass sie Gewalt und schweres Unrecht erlitten haben“, erklärte sie laut Mitteilung der Nordkirche am Donnerstag in Schwerin.
Ein von der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) beauftragtes unabhängiges Forscherteam hatte zuvor in Hannover seine Studie vorgestellt, in der von bundesweit mindestens 2.225 Betroffenen und 1.259 mutmaßlichen Tätern die Rede ist. Die Nordkirche hatte nach eigenen Angaben aus ihrem Bereich 182 Fragebögen an den Forschungsverbund übermittelt, darunter 58 Datenblätter zu Beschuldigten bzw. Tätern sowie 124 zu Betroffenen. Die recherchierten 58 Beschuldigten bzw. Täter waren laut Nordkirche alle männlich, 33 von ihnen waren Pastoren.
„Als Nordkirche und ebenso als ihre Vorgängerkirchen haben wir vielfach versagt und sind an Menschen schuldig geworden. Im Namen unserer ganzen Kirche bitte ich dafür demütig um Entschuldigung“, sagte Kühnbaum-Schmidt. Die Nordkirche müsse sich „ehrlich eingestehen, dass wir von deutlich mehr Fällen als den in der ForuM-Studie aufgeführten ausgehen müssen“.
Im Blick auf die Aktenführung der kirchlichen Verwaltung habe die Studie gezeigt, dass sich zumeist nur bei klar geahndeten Disziplinarverstößen dort entsprechende Einträge und Verweise finden ließen. Zudem hätte bei der Aktenführung bis Mitte der 1990er Jahre offensichtlich der Schutz der Institution im Mittelpunkt gestanden. Erst seit Mitte/Ende der 90er Jahre habe sich das Verständnis schrittweise geändert, sodass entsprechende Fälle seitdem auch in den Disziplinar- bzw. Personalakten festgehalten wurden, erklärte Kühnbaum-Schmidt.
„Fehlende Distanz innerhalb der Institution und unter Mitarbeitenden haben dazu geführt, dass Tätern oftmals mehr Glauben geschenkt wurde als Betroffenen. Damit müssen wir uns noch konsequenter, ehrlich und schonungslos auseinandersetzen“, forderte die Landesbischöfin.
Es gelte, Verantwortung zu übernehmen sowie klar und entschieden die Konsequenzen aus den Ergebnissen der ForuM-Studie zu ziehen, befand Kühnbaum-Schmidt. „Dabei werden die Beschlüsse des EKD-Beteiligungsforums und die Ergebnisse der Beratungen dort auch für uns entscheidend und leitend sein.“
Die Studienergebnisse führten „überdeutlich vor Augen, dass wir uns mit offenen und verdeckten Machtstrukturen in unserer Kirche auseinandersetzen müssen“, erklärte die Landesbischöfin und forderte „einen grundlegenden Kulturwandel“. Themen wie Distanz im Miteinander, achtsamer Umgang mit Sprache und ein klares Leitungsverständnis müssten dabei eine Rolle spielen. Bei der Umsetzung der Lehren aus der Studie müssten die Sicht und die Bedürfnisse der Betroffenen entscheidend sein.