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Migration: Saarbrücker Oberbürgermeister kritisiert Symbolpolitik

Der Saarbrücker Oberbürgermeister Uwe Conradt (CDU) fordert eine Rückkehr zu einem Europa ohne Binnengrenzkontrollen. „Die angekündigten Grenzkontrollen unserer französischen Nachbarn sind als Reaktion auf die Kontrollen auf deutscher Seite zu verstehen“, kritisierte er am Montag in Saarbrücken. „Statt eine gemeinsame europäische Lösung zu finden, erleben wir jetzt einen Alleingang einzelner Länder. Dies halte ich für den völlig falschen Weg.“ Europa-Staatsministerin Anna Lührmann (Grüne) und die saarländische Ministerpräsidentin Anke Rehlinger (SPD) warnten vor einem negativen „Domino-Effekt“.

Die Bundespolizei kontrolliert seit Mitte September Grenzen zu Frankreich, Belgien, den Niederlanden, Luxemburg und Dänemark. Dies soll nach momentanem Stand sechs Monate dauern. Auch zu anderen Ländern gibt es seit Längerem Grenzkontrollen. Mit ihnen soll irreguläre Migration verringert werden. Während der Olympischen Spiele und der Fußball-EM kontrollierte die Bundespolizei auch die Grenzen zwischen dem Saarland und Frankreich. Mittlerweile hat auch Frankreich vom 1. November bis zum 30. April 2025 Kontrollen an den Grenzen zu Belgien, Luxemburg, Deutschland, der Schweiz, Italien und Spanien angekündigt.

„Der Schengen-Raum ist eine der greifbarsten Errungenschaften, die wir in Europa haben“, betonte Conradt. „Eine Kettenreaktion an Grenzkontrollen erschüttert diese Errungenschaft.“ In der saarländischen Landeshauptstadt lebten 185.000, im Großraum Saarbrücken etwa 1,5 Millionen Menschen, ein Drittel davon auf französischer Seite. „Wir sind die einzige Landeshauptstadt mit internationaler Grenze“, unterstrich er. „Die Menschen in der Region überqueren die Grenze ständig, um zur Arbeit zu kommen, um einzukaufen oder um ihre Freizeit zu genießen.“

„Gelebte Freundschaft und Partnerschaft helfen uns bei der Bewältigung von Problemen mehr als Stimmungen und Ängsten in der Bevölkerung mit Symbolaktionen zu begegnen“, sagte der CDU-Politiker. Jeder Beamte, der an der deutsch-französischen Grenze stehe, fehle an der EU-Außengrenze. „Das Wiederaufleben der Grenze trennt die Menschen zumindest im Kopf und suggeriert ein Gefühl von Kontrolle“, kritisierte Conradt. Zufallstreffer bei Straftätern und Schleusern seien zwar erfreulich, hätten aber auch durch Kontrollen im 30-Kilometer-Radius hinter der Grenze erzielt werden können.

Ähnlich äußerte sich auch Europa-Staatsministerin Lührmann. Mit Polizeikontrollen werde es immer gelingen, Straftäter festzustellen. Die Frage sei aber, wo die Aufmerksamkeit der Polizei am meisten nötig sei, zu welchen Kosten die Kontrollen stattfänden und welche Folgen diese etwa für die Wirtschaft hätten, unterstrich die Staatsministerin. Ob die Kontrollen nach den sechs Monaten fortgesetzt würden, hänge von der Lagebewertung ab, erläuterte sie.

Binnengrenzkontrollen dürften nicht zum „Dauerzustand“ werden, sagte die Bundestagsabgeordnete und Beauftragte der Bundesregierung für die deutsch-französische Zusammenarbeit. Es gehe auch darum, die „große Errungenschaft der Freizügigkeit in Europa“ zu schützen.

„Deswegen halte ich es für wichtig, dafür zu sorgen, dass wir andere Maßnahmen finden, um der irregulären Migration Herr zu werden“, betonte die Grünen-Politikerin. Es brauche bessere Kontrollen an den EU-Außengrenzen und auch die Dublin-Regeln müssten wieder umgesetzt werden. Nach der Dublin-Regelung ist in der Regel der Staat für die Aufnahme zuständig, über den ein Schutzsuchender in die EU gekommen ist. Anlass für Lührmanns Besuch im Saarland ist die Sitzung des deutsch-französischen Ausschusses für grenzüberschreitende Zusammenarbeit in Saarbrücken, an dem auch Conradt als Vertreter des Eurodistricts SaarMoselle teilnimmt.

Ähnlich wie Saar-Ministerpräsidentin Rehlinger warnte die Europa-Staatsministerin auch vor einem „negativen Domino-Effekt“ der Binnengrenzkontrollen. Rehlinger hatte am Sonntag erklärt, dass das Schengen-System ins Wanken geraten könnte. Solche Maßnahmen müssten zeitlich befristet bleiben und die Bewegungsfreiheit in der Grenzregion so wenig wie möglich beeinträchtigen.