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Merle: Zeitliche Anpassung entspricht gesellschaftlichen Bedingungen

Die zeitliche Anpassung des sogenannten Karfreitags-Tanzverbots entspricht nach Ansicht von Kristin Merle, Professorin für Praktische Theologie an der Universität Hamburg, den veränderten gesellschaftlichen Bedingungen. Die Änderung der Hamburger Feiertagsschutzverordnung bedeute keine Aufhebung, und als es in politischen Statements im vergangenen Jahr um das Thema ging, sei immerhin der Begriff des „immateriellen Kulturerbes“ gefallen, betonte Merle im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). „Das ist in diesem Zusammenhang ein hilfreicher Begriff, weil er vermittelt. Es geht um die Wertschätzung und Anerkennung überlieferten Wissens und kultureller Traditionen.“

Theologinnen und Theologen müssten sich eingestehen, dass der Mensch heute „in einer Situation forcierter gesellschaftlicher Pluralität“, also auch „weltanschaulicher Pluralität“ lebe, sagt Merle. Selbst für einen Menschen, der mit christlicher Tradition nichts anfangen kann, könne es aber einen Grund geben, am Karfreitag aufs Feiern und Tanzen zu verzichten, findet die Theologie-Professorin. Er laute: gegenseitiger Respekt.

Über die Medien bekämen auch Menschen, die mit der Bedeutung des Karfreitags nicht mehr vertraut sind, symbolische Bilder zu Gesicht. „Am Kreuz sieht man, was Menschen Menschen antun können.“ Es sei „ein Mahnmal für die Abgründe in uns“.

Zugleich sei das Kreuz „ein Hoffnungszeichen, dass Verderben und Tod nicht das letzte Wort in unserem Leben haben“. Merle glaube, dass Menschen auch dann, wenn sie mit christlichen Traditionen nicht viel anfangen können, ein intuitives Verständnis davon haben, dass dem Bedenken von Leid und Tod Ernsthaftigkeit gebühre. Und dass der Mensch Hoffnung brauche, um leben zu können.

Davon abgesehen, könne ein stiller Tag „das Gesetz der Beschleunigung“ unterbrechen. Tempo, Umtriebigkeit und Kommunikation ließen sich heutzutage kaum noch drosseln. Gäbe es solch einen starken, in diesem Fall religiösen Wert nicht, sei der Mensch den Dynamiken umso mehr ausgeliefert. „Das könnte ein Argument dafür sein, gesamtgesellschaftlich an der zyklischen Installation von Unterbrechungen ein Interesse zu haben, um Entfremdungsprozesse von Menschen gegenüber sich selbst, gegenüber anderen und der Gesellschaft zu mindern“, erklärt Merle. Sie sieht hier einen gesamtgesellschaftlichen Handlungsbedarf und meint: „Die Religionen können zu solchen Überlegungen sicherlich einiges beitragen.“