Das Deutsche Institut für Menschenrechte sieht den Umgang mit der Versammlungsfreiheit in Deutschland mit Sorge. Institutsdirektorin Beate Rudolf verlangte am Montag in Berlin den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bei Verboten stärker zu beachten. Er verlange zu prüfen, ob mildere Mittel möglich seien. Rudolf bezog sich dabei auf Kundgebungsverbote zum Nahost-Konflikt wie zum Klimaschutz. Sie äußerte sich bei der Vorstellung des 8. Jahresberichts des Instituts.
Die Versammlungsfreiheit kenne zwar Grenzen, etwa bei antisemitischen Kundgebungen oder Demonstrationen für die Terrororganisation Hamas. Es sei aber zu undifferenziert, propalästinensische Demonstrationen an sich als Verbotsgrund zu nennen. “Natürlich darf man sich für die Rechte der Palästinenser und Palästinenserinnen einsetzen”, sagte Rudolf. Man dürfe aber keine rassistische Hetze oder Straftaten billigen. Ebenso wenig dürfe es aber zu einem “Generalverdacht gegenüber der muslimischen Bevölkerung kommen”.
Rudolf unterstrich zugleich, dass der terroristische Angriff der Hamas auf Zivilisten in Israel das “größte antisemitische Massaker seit der Schoah” gewesen sei. Deshalb sei es “unerträglich, dass Jüdinnen und Juden in Deutschland seitdem verstärkt angegriffen werden und sich nicht mehr sicher fühlen”. Es habe “zu viele zivilgesellschaftliche und kulturelle Organisationen gegeben, die ihnen Mitgefühl und menschenrechtliche Solidarität verweigern”.
Weiter betonte Rudolf: “Wir sind höchst besorgt über Antisemitismus, der sich in der Billigung, Rechtfertigung oder Relativierung der Hamas-Massaker ausdrückt”. Antisemitische Straftaten müssten verfolgt werden. Zugleich seien besondere Anstrengung der politischen Bildung nötig. Deshalb dürfe es hier keine Einsparungen geben. Der Kampf gegen Antisemitismus dürfe aber nicht Rassismus befeuern, etwa gegen Menschen, die als muslimische, arabisch oder palästinensisch “gelesen” werden. Langanhaltende propalästinensischer Demonstrationen seien deshalb “hoch problematisch”. Alle Menschen in Deutschland hätten das Recht auf Versammlungsfreiheit. Das gebe ihnen auch das Recht, Trauer über die Opfer in Gaza und Solidarität mit den Menschen dort friedlich auszudrücken.
Auch mit Blick auf die Klimaproteste warnte Rudolf vor “staatlicher Überreaktion”. “Sitzblockaden sind aus grund- und menschenrechtlicher Sicht Versammlungen und fallen somit unter den Schutz der Versammlungsfreiheit”, so Rudolf. Präventivhaft dürfe “nur mit äußerster Zurückhaltung zur Verhinderung schwerwiegender Gewalt” angewendet werden.