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Mediziner: Sind an einem Wendepunkt der Parkinson-Forschung

Ob James Parkinson damit einverstanden wäre, dass die Krankheit seinen Namen trägt? Vor 200 Jahren starb der Londoner Arzt, der die Schüttellähmung erstmals beschrieb. Inzwischen steht die Forschung vor einem Durchbruch.

Er ist ein Kämpfer: In “Der Bulle von Tölz” und “Pfarrer Braun” spielte Ottfried Fischer seine bekanntesten Rollen. 2008 erhielt der Kabarettist die Diagnose Parkinson – und beschloss, offensiv mit der Krankheit umzugehen. “Keine Angst, ich mache jetzt keine Schüttelreime”, beruhigte er sein Publikum mit Blick darauf, dass Parkinson früher als Schüttellähmung bezeichnet wurde.

Auch Papst Johannes Paul II. war ein Vorkämpfer für die Akzeptanz von Parkinson-Patienten. “Die Selbstverständlichkeit, mit der sich der schwer kranke Papst bis zum Schluss in der Öffentlichkeit gezeigt hat, hat Parkinson aus der Tabuzone befreit”, würdigte die Deutsche Parkinson Vereinigung im Jahr 2020 den 2005 gestorbenen Papst.

Parkinson ist die am schnellsten zunehmende Hirnerkrankung weltweit. In Deutschland gibt es nach Angaben der Deutschen Gesellschaft für Parkinson und Bewegungsstörungen rund 400.000 Betroffene. Weltweit hat sich die Zahl der Parkinson-Patienten von 2,5 Millionen 1990 auf etwa 6,1 Millionen 2016 erhöht. Das Alter ist ein wichtiger Faktor. Nur zehn Prozent aller Parkinson-Patienten erkranken schon vor dem 50. Lebensjahr. Selbst junge Menschen im Alter von zwanzig Jahren können aber betroffen sein, wenn auch selten.

Betroffene sind in ihrer Lebensqualität deutlich eingeschränkt, eine Heilung gibt es derzeit nicht. Doch der Neurologe Jens Volkmann, erster Vorsitzender der Parkinson Stiftung, macht Hoffnung: “Wir befinden uns an einem entscheidenden Wendepunkt in der Parkinson-Forschung”, sagt er. “Die Erkenntnisse der letzten Jahre haben uns einer kausalen Therapie so nahegebracht wie nie zuvor.”

Erstmals als eigenes Krankheitsbild beschrieben wurde die “Schüttellähmung” 1817 vom britischen Arzt James Parkinson (1755-1824). Sein 200. Todestag jährt sich am 21. Dezember zum 200. Mal. Parkinson unterhielt in einem Armenviertel im Norden Londons eine florierende chirurgische Praxis. Sein Verdienst war es, vielfältige Symptome wie Schlaflosigkeit, Inkontinenz, Riechstörungen oder Sehstörungen als Teil eines zusammenhängenden Krankheitsbilds zu beschreiben. Dass es sich um eine Degeneration des Gehirns handelte, war für ihn offensichtlich.

Verlangsamte Bewegung, Zittern, steife Muskeln: Die Symptome von Morbus Parkinson entwickeln sich schleichend. Ein Schlüsselproblem ist der Verlust der Fähigkeit, Bewegungen willentlich auszulösen. Erkrankte führen Bewegungen daher nur verlangsamt aus. Ursache von Parkinson ist ein Absterben von Nervenzellen in einer Hirnregion, in der auch das als Glückshormon bezeichnete Dopamin gebildet wird. Warum diese Nervenzellen sterben, ist noch unklar.

Erst in den 1960er Jahren wurde entdeckt, dass Dopaminmangel die sichtbaren Symptome von Parkinson auslöst. Dopamin ist auch für die Bewegungssteuerung und die Übermittlung von Hirnsignalen zuständig. In der Therapie wird Dopamin deshalb medikamentös ersetzt. Nach einigen Jahren lässt die Wirkung jedoch nach; starke Nebenwirkungen stellen sich ein.

Die Einführung der tiefen Hirnstimulation (THS) in den späten 1980er Jahren verbesserte die Lebensqualität vieler Betroffener. Elektrische Impulse können die Wirkung des Dopamins nachahmen. Deshalb werden feine Elektroden ins Gehirn eingesetzt. Die Entdeckung genetischer Faktoren und Mutationen seit den 1990er Jahren eröffnete neue therapeutische Ansatzpunkte. Auch Gen- und Stammzelltherapien werden intensiv erforscht.

Aktuell konzentriert sich die Forschung auf die Früherkennung und die Entwicklung von Therapien, die das Absterben von Nervenzellen im Gehirn verlangsamen oder sogar stoppen. “Dank neuer genetischer und molekularer Methoden erleben wir derzeit bahnbrechende Fortschritte. Diese nähren die begründete Hoffnung, dass wir in naher Zukunft das Absterben von Gehirnzellen verhindern können, wenn wir die Forschung intensivieren”, betont Joseph Claßen, zweiter Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Parkinson und Bewegungsstörungen.

Dabei ist allerdings die frühe Diagnostik eine wichtige Voraussetzung. In naher Zukunft könnten Laboruntersuchungen helfen, die für Parkinson typischen fehlgefalteten Alpha-Synuclein-Proteine im Nervenwasser oder sogar im Blut nachzuweisen.