Schlupflöcher in sozialen Medien und Möglichkeiten, um auf Plattformen wie TikTok gezielt zu desinformieren, werden nach Beobachtung der Oldenburger Medienpädagogin Christina ter Glane von der AfD und ihrem Netzwerk gezielt ausgenutzt. „Die AfD hat einfach früher verstanden, sich das Prinzip von TikTok zu eigen zu machen und sich über die dort gegebenen Mechanismen eine Zielgruppe zu erschließen“, sagte ter Glane dem Evangelischen Pressedienst (epd). So sei bei der AfD zu beobachten, dass sie sich nicht eines einzigen offiziellen Kanals als Sprachrohr bedient. „Das sind viele Accounts, die dort für die nötige Interaktion sorgen, damit Inhalte vom Algorithmus lange als relevant erfasst bleiben.“
Andere Parteien hätten sich sehr lange zurückgehalten, soziale Netzwerke wie TikTok aktiv zu nutzen. „Das ist aus datenschutzrechtlichen Gründen auch durchaus nachvollziehbar und verständlich“, betonte ter Glane. „Die AfD als ‘early adopter’ hat nun aber einen klaren Vorteil beim Umgang mit der Plattform.“ Zudem habe vieles, was die anderen Parteien dort produzierten, eher einen anbiedernden Charakter. „Die User wollen aber ernst genommen werden. Auch auf TikTok besteht nicht alles aus blödeligen Challenges. Das hat die AfD einfach besser für ihre Zwecke zu nutzen gewusst.“
Pädagogin: Soziale Medien nicht unterschätzen
Generell herrsche bei Außenstehenden viel Unwissen, was sich in den Netzwerken abspiele. „Wir Erwachsenen machen beispielsweise oft den Fehler, die Relevanz von TikTok für Kinder und Jugendliche auch bei der Meinungsbildung und Recherche von Informationen zu unterschätzen“, betonte die Medienpädagogin. So habe sie schon beobachtet, wie junge Studierende als erste Quelle TikTok nutzten, um zu einem gegebenen Thema zu recherchieren.
Wichtig sei, dass Kinder, Jugendliche und Erwachsene das nötige Wissen mitbrächten, um die Inhalte von TikTok einordnen zu können, mahnte ter Glane. Dass es sich bei manchem Video um AfD-Content oder demokratiefeindliche Gedanken handele, sei selbst für Medienprofis teils extrem schwierig zu erkennen. „Beispielsweise sind offizielle AfD-Abgeordnete mit Accounts unterwegs, bei denen keinerlei Parteizugehörigkeit erkennbar ist. Dritt-Accounts sind sogar noch schwieriger zu erkennen. Die sollen Inhalte einfach nur weiterverbreiten und interagieren.“
Populistische Inhalte: Es braucht geschultes Hintergrundwissen
Diese Inhalte seien zwar oft klar als populistisch zu erkennen, „aber die Multiplikatoren geben sich dann ganz bewusst einen neutralen Anstrich“, sagte ter Glane. „Häufig werden dann AfD-Inhalte weiterverbreitet mit der ausdrücklichen Betonung, die AfD sei selbstverständlich keine rechte Partei.“ Teils kämen auch bestimmte Hashtags zum Einsatz wie #Freiheit #Heimat oder Emojis wie blaue Herzen. „Da ist zunächst für unbedarfte Betrachter nichts Anstößiges dahinter. Es braucht einen geschulten Hintergrund, um die Nähe der Stilmittel zur rechten Szene zu erkennen.“
Pauschalen Verboten erteilte die Medienpädagogin eine klare Absage. „Es bringt nichts, wenn Forderungen laut werden, TikTok bis zum 18. Lebensjahr zu verbieten. Wie soll dann jemand einen kompetenten Umgang damit lernen?“ Es sei auch nicht verwerflich, wenn sich junge Menschen entsprechend ihrem Alter in einem realen oder digitalen Raum bewegten, der von ihren Eltern nicht überwacht werde. „Das hat es immer schon gegeben. Wichtig ist nur, dass wir ihnen das richtige Rüstzeug mitgeben.“