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Marmeladenfinger an den Wänden zulassen

Voller Idealvorstellungen ist die Zeit einer Schwangerschaft und das Familienleben. Nirgends lässt sich das so gut beobachten wie auf Instagram. Dort spielen Influencerinnen einen gelungenen Alltag mit Kindern und beigefarbenen Kinderzimmern vor. „Ich habe immer wieder Klientinnen, die enttäuscht sind, dass ihr Zuhause nicht so aussieht, wie das der Insta-Mamas“, sagt Sozialarbeiterin Sara Münzebrock. „Da kommen dann die Marmeladenfinger an den Wänden ins Spiel.“

Münzebrock und ihre Kollegin Esther Gräfenecker arbeiten bei der Schwangeren- und Schwangerschaftskonfliktberatung der Diakonie Baden-Baden und Rastatt. Die Beratung richtet sich auch an Familien mit Kleinkindern. Im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd) berichten die Sozialarbeiterinnen, dass die Diakonie im vergangenen Jahr mehr als 760 Gespräche mit Müttern und Eltern führte.

Münzebrock berichtet, dass manche Frauen sagen, sie hätten sich ihr Leben als Mutter anders vorgestellt. „Manche Frauen sind glücklich über ihre Schwangerschaft und Elternschaft“, sagt Münzebrock. Aber der von der Gesellschaft so dringend erwartete „Baby Glow“ trete nicht bei jeder Frau ein.

Dabei spielten auch Soziale Medien eine Rolle, die oft einseitig seien. „Ich erinnere dann daran, dass Darstellungen auf Insta oft nicht realistisch sind“, sagt Münzebrock. Chaos zeigten die Influencerinnen meist nicht. Und auch nicht, wie sie laut werden und ihre Kinder anbrüllen.

In der Beratungsstelle bieten sie Frauen Raum, um über schwere Nächte, Sorgen und darüber, dass „sie auf dem Zahnfleisch gehen“ zu reden. Auch begleiten sie Schwangere, gerade wenn es Unsicherheiten bei der Entwicklung des Kindes gibt. „Wir halten Zeiten des Wartens auf Ergebnisse gemeinsam mit ihnen aus, sprechen über unterschiedliche Sichtweisen und zeigen weitere mögliche Schritte auf“, erläutert Gräfenecker.

Ein weiteres Thema in ihren Gesprächen sei, dass sich Frauen in ihrer Mutterrolle nicht wohlfühlten. „Ein Thema mit ganz vielen Facetten“, sagt Münzebrock. Manchmal gehe es nur darum, dass sich Frauen auch Jahre nach der Schwangerschaft in ihrem Körper nicht wohlfühlen.

Andere vernachlässigten das Thema Selbstfürsorge. „Sie geben ihrer Mutterrolle so viel Raum, dass sie keine Nähe in der Partnerschaft zulassen können, ihre Hobbys und eigene Freundschaften aufgeben“, sagt Münzebrock. Wenn sie diese Frauen frage, „Was gibt es für Sie?“ kommen sie ins Grübeln. „Es fällt ihnen schwer, wieder zu sich als Frau zurückzufinden“, erklärt Münzebrock. Andere haben hohe Ansprüche an sich als Mama und Partnerin.

Das seien aber alles Themen, bei denen kleine Veränderungen die Mütter schon sehr viel zufriedener machen, sagt Münzebrock. „Oft muss ihnen nur mal jemand sagen. “Du darfst!„ Oft helfe es Frauen auch, wenn sie gut vernetzt seien, betont Gräfenecker. “Sie kommen besser mit Durststrecken und allem anderen zurecht.” (1001/02.05.2025)