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Mansplainer sind nicht nur Besserwisser

Wenn Männer Frauen in einer herablassenden Art die Welt erklären, spricht man von Mansplaining. Das Phänomen hat auch mit Macht und Herrschaft zu tun, sagt Soziologin Andrea Dorothea Bührmann – und rät, wie man darauf reagieren kann.

Frankfurt a.M. (epd). Männer empfehlen Frauen, erstmal Studien und Dokumentationen zu lesen, bevor sie sich äußern. Männer sprechen Frauen ihre Angst vor einer Geburt ab. Männer wissen, wie die Welt funktioniert – im Gegensatz zu Frauen? Natürlich nicht. Trotzdem erklären ihnen einige Männer gerne unaufgefordert das Leben, das ist der Eindruck vieler Frauen. Mansplaining nennt man das Phänomen.

   Weil in ihrem Freundeskreis immer wieder von extremen Beispielen berichtet wurde, fragte die Autorin Katharina Nocun im Februar auf Twitter «Was war das absurdeste Beispiel von #Mansplaining, das ihr erlebt habt?» Das Ergebnis habe sie umgehauen, erinnert sie sich, denn innerhalb kürzester Zeit sammelten sich hunderte Kommentare unter ihrem Tweet. «Drei Tage später waren es über 1.000 Beispiele. Bei einigen Sachen konnte ich nur den Kopf schütteln. Bei anderen dachte ich: Was für eine unglaubliche Frechheit.» Unterm Strich zeige sich durch die Antworten eins, sagt Nocun: «Mansplaining ist ein systematisches Problem.»

   Soziologin Andrea Dorothea Bührmann, Direktorin des Instituts für Diversitätsforschung der Universität Göttingen, kennt das Phänomen. Mansplaining sei keinesfalls bloßes Besserwissen, sagt sie: «Durch das Erklären der Welt ohne Expertise, oft auf herablassende Art und Weise, drücken Männer ein gewisses Verständnis von Macht und Herrschaft aus und halten dieses Verständnis dann mit ihrem Verhalten aufrecht.» Die Expertise von Frauen werde negiert, nicht wahrgenommen. Und das sei eine Herabwürdigung und eine Diskriminierung von Frauen.

   Auf Nocuns Twitter-Frage berichtete eine Frau beispielsweise davon, dass ihr ein betagter Wohnungseigentürmer zur Heirat eines reichen Mannes geraten habe, da er annahm, sie könne sich die Wohnung nicht alleine leisten. Eine andere Frau erzählt, ein Mann habe ihr erklärt, wie die Pille richtig zu nehmen sei – immerhin nehme auch er gelegentlich Tabletten.

   Dem Aufruf folgte auch die «Spiegel»-Kolumnistin Magarete Stokowski. Ihr hätten Männer erklärt, wie ihr polnischer Name richtig ausgesprochen werde. «Sowas habe ich auch schon erlebt. Das sind dann Leute, die nicht mal polnisch sprechen», ergänzt Nocun, deren Name ebenfalls polnischen Ursprungs ist. Auch berichtet Stokowski davon, dass ihr ein männliches Gegenüber erklärt habe, wie sich Opfer von Missbrauch und Vergewaltigung fühlten. Stokowski ergänzt: «wobei ich dazu gehöre & er nich».

   Und die Sozialpsychologin Pia Lamberty, die über Verschwörungsideologien forscht, twitterte: «Mir hat mal jemand gesagt, ich soll mich erst einmal zum Thema Verschwörungserzählungen informieren und mir dann eine Studie empfohlen, deren Autorin ich war.»

   Dass das eigene Fachwissen vom männlichen Gegenüber nicht anerkannt wird, passiere den meisten Frauen im Laufe ihres Lebens, glaubt Nocun. «In vielen Situationen fragt man sich natürlich: Wäre das passiert, wenn das Gegenüber keine Frau, sondern ein Mann gewesen wäre?» Häufig komme sie zu dem Ergebnis: nein.

   Doch wie sollten Frauen am besten reagieren? «Demaskieren», rät Soziologin Bührmann. Dafür müsse die diskriminierende und herablassende Situation, in der sich die Frau und der Mann in dem Moment befänden, gar nicht explizit benannt werden. Aufmerksames Nachfragen reiche oft schon vollkommen: Woher wissen Sie das? Was denken Sie dazu? «Da gibt es schnell einen Punkt, an dem keine Antwort mehr gegeben werden kann.»

   Viele Menschen spürten dann, was das Gegenüber mit den Nachfragen beabsichtige, würden gelegentlich auch wütend. «Es kann ja aber auch sein, dass jemand wirklich Experte ist. Und dann will ich das ja auch wissen. Also frage ich einfach.» Dezidiertes Nachfragen drehe auch das Machtgefälle um, sagt Bührmann.

   Für Nocun hängt die Reaktion auf unqualifizierte Welterklärerei vom jeweiligen Kontext ab: «Ich habe nicht immer die Energie, das anzusprechen.» So gehe es wahrscheinlich vielen Frauen, vermutet sie. «Wenn man einen harten Tag hatte, eigentlich auch keine Lust auf anstrengende Situationen, dann lässt man das einfach über sich ergehen und bedankt sich am Ende für die Tipps, hat aber ein negatives Bild von der Person.»

   In anderen Situationen, vor allem wenn es um ein Thema gehe, das Nocun besonders wichtig ist, frage auch sie nach. «Man erklärt dann auch seine Expertise und fragt nach der des Gegenübers.»

   Das Phänomen Mansplaining führe zur Aufrechterhaltung eines Stereotyps, sagt Bührmann. «Dieses Stereotyp geht so, dass Männer eben schon wissen, wovon sie reden, und Frauen höchstens über ihr Erleben etwas sagen können. Und das ist die Gefahr», warnt die Soziologin.