Artikel teilen

Wie die “Bremer Engel” schwerstkranken Kindern helfen

Wenn ein Kind schwer erkrankt, stürzt das die ganze Familie in eine Ausnahmesituation. Die Helferinnen der “Bremer Engel” stehen an ihrer Seite und unterstützen sie.

Henri (4) mit seiner Mutter und der Kinderkrankenschwester Inga Buchholz in der Wohnung der Familie
Henri (4) mit seiner Mutter und der Kinderkrankenschwester Inga Buchholz in der Wohnung der Familieepd-bild / Dieter Sell

Henri spurtet durch das Wohnzimmer, hüpft auf dem Sofa und ruft: „Ich hab’ Hunger.“ Der Vierjährige ist wie aufgedreht, jetzt besonders. Denn eben gerade hat sein ganz persönlicher Engel an der Haustür geklingelt, seine Eltern Daniel und Heike P. haben geöffnet. Der Engel, das ist Kinderkrankenschwester Inga Buchholz, die Henri seit September des vergangenen Jahres in der mobilen Familienhilfe begleitet. Und mit ihm und den Eltern schon durch dick und dünn gegangen ist.

Kaum zu glauben, dass sich der heute so quirlige Junge eine Zeitlang kaum noch bewegen konnte. Aber so war es, seine Mutter denkt mit Tränen in den Augen zurück an den Herbst. „Henri hatte früher schon viele Infekte, aber nach den Sommerferien sind dann an seinem Körper plötzlich überall blaue Flecken aufgetaucht“, erinnert sich die 39-Jährige. „Ich habe mir zuerst nichts dabei gedacht. Aber dann war er öfter schlapp, Nasenbluten kam dazu.“

„Akute lymphatische Leukämie“ lautete die Diagnose

Mit der Vermutung, das könnte eine Leukämie sein, ging sie mit Henri zum Kinderarzt. Und tatsächlich: „Akute lymphatische Leukämie“ lautete die Diagnose, eine bösartige Erkrankung des blutbildenden Systems. Bei Henri gab es eine zu geringe Zahl an Thrombozyten, an Blutplättchen, die für die Blutgerinnung zuständig sind. Daher auch die Einblutungen in die Haut und das Nasenbluten.

Inga Buchholz während einem Einsatz als "Bremer Engel" in Bremen-Rablinghausen
Inga Buchholz während einem Einsatz als "Bremer Engel" in Bremen-Rablinghausenepd-bild / Dieter Sell

Nach der Diagnose ging alles ziemlich schnell. Henri wurde im Klinikum Bremen-Mitte stationär aufgenommen, eine exakt auf ihn ausgerichtete Chemotherapie gestartet. Doch die Nebenwirkungen ließen nicht lange auf sich warten. Aus dem quirligen Jungen wurde schnell ein niedergeschlagenes Kind. Eine Sepsis, eine Blutvergiftung, brachte zusätzliche Probleme. „Die Therapie schlug ihm aufs Gemüt. Und die Knochen taten ihm weh, er konnte kaum noch laufen“, erinnert sich seine Mutter an die ersten Chemo-Wochen, während Henri jetzt, ein dreiviertel Jahr später, wieder um den Wohnzimmertisch sprintet.

„Bremer Engel“: Familienhilfe für schwerst- und chronisch kranke Kinder

„Mama, meine Beine sind eingerostet“, so hatte es der Junge damals selbst erlebt. Doch dann ein Lichtblick: Im Klinikum kommt die Familie mit Inga Buchholz in Kontakt. Die 43-jährige Kinderkrankenschwester ist wie fünf weitere „Engel“-Kolleginnen im Krankenhaus fest angestellt, einerseits. Andererseits arbeitet sie mit einem Stundenkontingent als „Bremer Engel“, einer spendenfinanzierten mobilen Familienhilfe für schwerst- und chronisch kranke Kinder.

Die „Engel“ sind in Bremen, Bremerhaven und Niedersachsen unterwegs, schlagen eine Brücke zwischen Klinik und Häuslichkeit und schließen so eine Versorgungslücke. Bildlich formuliert: Sie sind wie eine Nabelschnur zwischen Krankenhaus und Zuhause und helfen bei allen Problemen – medizinisch, emotional und sozial. Vor allem auch: ohne Zeitlimit.

Kinder sollen möglichst schnell ins familiäre Umfeld entlassen werden

„Im Krankenhaus lernen wir unsere Patientinnen und Patienten kennen und schaffen die Voraussetzung dafür, dass sie möglichst schnell ins familiäre Umfeld entlassen werden können“, erläutert Inga Buchholz und betont: „Wir können Sicherheit geben, leisten medizinische Pflege und führen entlastende Gespräche.“

 

Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an

 

Ein Beitrag geteilt von Bremer Engel (@bremer_engel)

Klar ist: Je schneller ein Kind nach Hause kommt, desto besser. „Das unterstützt den Heilungsprozess, allen Betroffenen wird der Alltag einfacher gemacht“, verdeutlicht Inga Buchholz. „Dazu kommen auch Kontakte und Beratungen in Schulen, Kindergärten und Sportvereinen, um Betreuer, Pädagogen, Spielkameraden und Mitschüler für die spezifischen Probleme der jungen Patienten zu sensibilisieren.“

2005 gegründete Initiative der Bremer Erika Müller Stiftung

Es ist dieser ganzheitliche Ansatz, der die 2005 gegründete Initiative der Bremer Erika Müller Stiftung mit heute acht Kinderkrankenschwestern, zwei Psychologinnen und einer Kunsttherapeutin neben vielen anderen ambulanten Hilfen so außergewöhnlich macht.

Nach Angaben von „Engel“-Botschafterin Sandra Wagner haben sie allein im vergangenen Jahr etwa 230 Patientenkinder versorgt, mehr als 900 Hausbesuche geleistet und dabei ungefähr 26.000 Kilometer zurückgelegt. Als verlängerter Arm des Krankenhauses unterstützen sie vor allem krebskranke Kinder und Heranwachsende sowie Mädchen und Jungen, die beispielsweise an Mukoviszidose, Diabetes oder Morbus Crohn leiden.

„Die Engel sind super einfühlsam“

Heike P. ist begeistert und schwärmt: „Die Engel sind super einfühlsam.“ Henri geht es in dem positiven Umfeld schon viel besser – auch wenn die medikamentöse Therapie noch immer fortgeführt werden muss, begleitet von der Angst, es könnte wieder schlimmer werden.

Auf der anderen Seite: Die Krankheit ist gut heilbar, im September kommenden Jahres wäre die Therapie beendet, wenn alles gut geht. „In dieser Zeit“, betont Henris Mutter Heike, „sind die Engel weiter an unserer Seite“.

Die “Bremer Engel” sind auf Spenden angewiesen. Die Kontoverbindungen: Erika Müller Stiftung/Bremer Engel bei der Sparkasse Bremen/IBAN: DE93 2905 0101 0008 0022 22 oder Weser-Elbe-Sparkasse Bremerhaven/IBAN: DE02 2925 0000 1020 6637 90